Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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seitig fördern, dann bleibt für den denkenden Menschen der Raum der Möglichkeiten
und damit die Freiheit. Das offene Ganze hat für ihn nicht Anfang und Ende. Keine
Geschlossenheit der Geschichte kann ihm sichtbar werden.
Die Methode des jetzt noch möglichen, sich selbst durchschauenden Totaldenkens
enthält folgende Momente:
Die Tatbestände werden aufgefaßt und gleichsam beklopft, zu hören, welchen
Klang sie geben, und den Sinn ahnen zu lassen, den sie haben können.
Man wird überall an die Grenzen geführt, um die äußersten Horizonte zu erreichen:
Aus diesen Horizonten heraus werden uns Ansprüche fühlbar. Ein Rückstoß erfolgt
des die Geschichte Sehenden auf sich selbst und seine Gegenwärtigkeit.
c) Überwunden wird die nur ästhetische Betrachtung der Geschichte. Wenn dem end-
losen Stoff historischen Wissens gegenüber alles darum, weil es war, auch zu erinnern
sich lohnt in der Unbetroffenheit, die nur das Sosein ins Endlose feststellt, dann folgt
dieser Wahllosigkeit ein ästhetisches Verhalten, dem alles in irgendeiner Weise zur
Erregung und Befriedigung der Neugier betrachtbar wird: das eine ist schön und das
andere ist es auch. Dieser unverbindliche, sei es wissenschaftliche, sei es ästhetische
Historismus führt in die Beliebigkeit, der, nachdem alles gleichwertig wurde, nichts
mehr Wert hat. Aber die geschichtliche Wirklichkeit ist nicht unverbindlich. Unser
wahrer Umgang mit der Geschichte ist ein Ringen mit der Geschichte. Die Geschichte
geht uns an; was uns in ihr angeht, erweitert sich ständig. Und was uns angeht, ist
damit schon eine gegenwärtige Frage des Menschen. Die Geschichte wird um so ge-
genwärtiger, je weniger sie Gegenstand ästhetischen Genusses bleibt.
| d) Wir sind auf die Einheit der Menschheit in einem umfassenderen und konkrete-
ren Sinn gerichtet als früher. Wir kennen die tiefe Befriedigung beim Blick in den Ur-
sprung der einen Menschheit aus dem Reichtum ihrer Verzweigungen in der Erschei-
nung. Erst aus ihrem Raum finden wir uns zurückgeworfen auf die eigene besondere
Geschichtlichkeit, die durch Bewußtheit sowohl tiefer für sich wie offener für alle an-
deren und für die eine umgreifende Geschichtlichkeit des Menschen wird.
Es handelt sich nicht um die »Menschheit« als einen abstrakten Begriff, in dem der
Mensch verschwindet. Vielmehr ist in unserem geschichtlichen Bewußtsein der ab-
strakte Begriff der Menschheit heute preisgegeben. Die Idee der Menschheit wird kon-
kret und anschaulich allein in der wirklichen Geschichte im Ganzen. Dort aber wird
sie Zuflucht im Ursprung, von dem her die rechten Maßstäbe kommen, wenn wir in
der Verlorenheit, in der Katastrophe, in der Zerstörung aller bis dahin bergenden Denk-
gewohnheiten ratlos wurden. Er bringt den Anspruch an Kommunikation in unein-
geschränktem Sinne. Er gibt die Befriedigung der Verwandtschaft im Fremden und der
Gemeinschaft des Menschlichen durch alle Völker hindurch. Er zeigt das Ziel, das un-
serer Sehnsucht und unserem Willen zum Miteinander eine Möglichkeit läßt.
Die Weltgeschichte kann aussehen wie ein Chaos zufälliger Ereignisse, - im Gan-
zen ein Durcheinander wie die Wirbel einer Wasserflut. Es geht immer weiter, von ei-
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seitig fördern, dann bleibt für den denkenden Menschen der Raum der Möglichkeiten
und damit die Freiheit. Das offene Ganze hat für ihn nicht Anfang und Ende. Keine
Geschlossenheit der Geschichte kann ihm sichtbar werden.
Die Methode des jetzt noch möglichen, sich selbst durchschauenden Totaldenkens
enthält folgende Momente:
Die Tatbestände werden aufgefaßt und gleichsam beklopft, zu hören, welchen
Klang sie geben, und den Sinn ahnen zu lassen, den sie haben können.
Man wird überall an die Grenzen geführt, um die äußersten Horizonte zu erreichen:
Aus diesen Horizonten heraus werden uns Ansprüche fühlbar. Ein Rückstoß erfolgt
des die Geschichte Sehenden auf sich selbst und seine Gegenwärtigkeit.
c) Überwunden wird die nur ästhetische Betrachtung der Geschichte. Wenn dem end-
losen Stoff historischen Wissens gegenüber alles darum, weil es war, auch zu erinnern
sich lohnt in der Unbetroffenheit, die nur das Sosein ins Endlose feststellt, dann folgt
dieser Wahllosigkeit ein ästhetisches Verhalten, dem alles in irgendeiner Weise zur
Erregung und Befriedigung der Neugier betrachtbar wird: das eine ist schön und das
andere ist es auch. Dieser unverbindliche, sei es wissenschaftliche, sei es ästhetische
Historismus führt in die Beliebigkeit, der, nachdem alles gleichwertig wurde, nichts
mehr Wert hat. Aber die geschichtliche Wirklichkeit ist nicht unverbindlich. Unser
wahrer Umgang mit der Geschichte ist ein Ringen mit der Geschichte. Die Geschichte
geht uns an; was uns in ihr angeht, erweitert sich ständig. Und was uns angeht, ist
damit schon eine gegenwärtige Frage des Menschen. Die Geschichte wird um so ge-
genwärtiger, je weniger sie Gegenstand ästhetischen Genusses bleibt.
| d) Wir sind auf die Einheit der Menschheit in einem umfassenderen und konkrete-
ren Sinn gerichtet als früher. Wir kennen die tiefe Befriedigung beim Blick in den Ur-
sprung der einen Menschheit aus dem Reichtum ihrer Verzweigungen in der Erschei-
nung. Erst aus ihrem Raum finden wir uns zurückgeworfen auf die eigene besondere
Geschichtlichkeit, die durch Bewußtheit sowohl tiefer für sich wie offener für alle an-
deren und für die eine umgreifende Geschichtlichkeit des Menschen wird.
Es handelt sich nicht um die »Menschheit« als einen abstrakten Begriff, in dem der
Mensch verschwindet. Vielmehr ist in unserem geschichtlichen Bewußtsein der ab-
strakte Begriff der Menschheit heute preisgegeben. Die Idee der Menschheit wird kon-
kret und anschaulich allein in der wirklichen Geschichte im Ganzen. Dort aber wird
sie Zuflucht im Ursprung, von dem her die rechten Maßstäbe kommen, wenn wir in
der Verlorenheit, in der Katastrophe, in der Zerstörung aller bis dahin bergenden Denk-
gewohnheiten ratlos wurden. Er bringt den Anspruch an Kommunikation in unein-
geschränktem Sinne. Er gibt die Befriedigung der Verwandtschaft im Fremden und der
Gemeinschaft des Menschlichen durch alle Völker hindurch. Er zeigt das Ziel, das un-
serer Sehnsucht und unserem Willen zum Miteinander eine Möglichkeit läßt.
Die Weltgeschichte kann aussehen wie ein Chaos zufälliger Ereignisse, - im Gan-
zen ein Durcheinander wie die Wirbel einer Wasserflut. Es geht immer weiter, von ei-
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