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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0301
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268

Stellenkommentar

52 Marx, Karl, 1818-1883; deutscher Philosoph, Journalist und Gesellschaftstheoretiker, ge-
meinsam mit Friedrich Engels Begründer des Marxismus; zusammen mit Engels Verfasser
der politischen Programmschrift »Das kommunistische Manifest« (1848) sowie der Schrift
»Die Deutsche Ideologie« (1932). Hauptwerk: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie,
Bd. 1,1867, Bde. 2 und 3 posthum 1885 und 1894. Jaspers’ Einschätzung von Marx ist zwie-
spältig. Einerseits würdigt er dessen Einsichten über den großen Einfluss der Technik auf
das menschliche Leben (vgl. in diesem Band, 97) sowie die Erkenntnis, dass die Arbeitstei-
lung die Struktur jeder Gesellschaft entscheidend mitbestimmt (vgl. ebd., 105). Auch ideo-
logiekritische Einsichten Marx’ werden positiv beurteilt (vgl. ebd., 127). Scharf kritisiert
werden hingegen die »monokausale«, deterministische Geschichtsauffassung (vgl. ebd.,
238) und das politische Hochstilisieren von »Glaubenssymbolen« in »Analogie zum religi-
ösen Glauben« (vgl. ebd., 203). Jaspers übt auch Kritik an Marx’ Utopie von einem »neuen
Menschen« und der Idee, dass dieser durch eine radikale Revolution und durch totale ge-
sellschaftliche Planung herbeigeführt werden könne (vgl. ebd., 175). Vgl. auch K. Jaspers:
Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit, 10-17. Eine ebenso konzentrierte Darstellungsei-
ner ideologiekritischen Haupteinwände gegen Marx gibt Jaspers in einem Artikel, den er
1952 unter dem Titel »Marx und Freud. Marxismus und Psychoanalyse als moderne Glau-
benssurrogate« in der Zeitschrift Universitas. Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur
veröffentlicht hat. Die Marx-Kritik findet sich im Bd. 7/3 (1952), 226-232, sie ist textgleich
mit den genannten Textseiten aus Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit. Im Nachlass
finden sich Fragmente und Entwürfe, aus denen ersichtlich ist, dass Jaspers in der geplan-
ten »Weltgeschichte der Philosophie« Marx zusammen mit Rousseau in einem Abschnitt
»Philosophen im politischen Denken und in der politischen Kritik als Grund unkritischer
Utopie« darstellen wollte. Dort finden sich weitere Einwände gegen Marx, die auch auf die
Wirkungsgeschichte des Marxismus Bezug nehmen (vgl. K. Jaspers: Die großen Philosophen.
Nachlaß, Bd. 1, 654-664, sowie Bd. 2, 984-990).
53 Der Stellenwert von Kierkegaard und Nietzsche für Jaspers’ Denken kann nicht hoch genug
eingeschätzt werden. In seinem frühen Buch über Weltanschauungspsychologie bewertet
Jaspers die beiden Philosophen als »die größten Psychologen der Weltanschauungen« (vgl.
K. Jaspers: Psychologie der Weltanschauungen, 13). In einer Vorlesungsreihe, die Jaspers im
Frühjahr 1935 an der Universität Groningen (Holland) hielt, referierte er in der ersten Vor-
lesung über die geschichtliche Bedeutung von Kierkegaard und Nietzsche für die »gegenwär-
tige philosophische Situation«. Jaspers stellt beide Denker als in der Philosophiegeschichte
einzigartige »Ausnahme«-Persönlichkeiten dar, weil sie es verstanden hatten, sowohl eine
zutreffende Zeitdiagnose der Gegenwart als auch eine existentielle Antwort auf diese Diag-
nose zu geben (vgl. K. Jaspers: Vernunft und Existenz, 7-41). Im 1955 geschriebenen Nach-
wort über die Entstehung seines existenzphilosophischen Hauptwerks Philosophie erklärt
Jaspers, er habe sich in diesem Werk Kierkegaards Begriff der Existenz »zu eigen« gemacht
(vgl. K. Jaspers: Philosophie I, XX). Im Nachlassband zu den Großen Philosophen finden sich
unter dem Überbegriff »Die Auflockernden« unter der Unterkategorie »Die großen Erwe-
cker« Fragmente über beide Denker (vgl. K. Jaspers: Die großen Philosophen. Nachlaß, Bd. 1,
416-475 und 477-493). Ein weiteres Indiz für sein großes Interesse an Nietzsche ist Jaspers’
heute noch viel zitierte Monographie über Nietzsche aus dem Jahr 1936 (vgl. K. Jaspers: Nietz-
sche. Einführung in das Verständnis seines Philosophierens). In einem für die Zeitschrift Die neue
Rundschau verfassten Artikel vergleicht Jaspers Nietzsche sowohl mit Kierkegaard als auch
 
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