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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0035
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XXXIV

Einleitung des Herausgebers

genwärtigen Lage der Philosophie ist es längst nicht mehr verborgen, dass sich in ihr
unter dem Vorwande einer Erörterung ästhetischer, literarischer, religiöser, sozia-
ler, »pädagogischen oder politischer >Grenzprobleme< ein Gehaben breitmacht, das
mit Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit kaum mehr etwas zu tun hat. Unter dem
Deckmantel der >Weltanschauung< umschmeichelt man vielfach jene weiten Kreise
der »Gebildetem, deren philosophische Interessiertheit zu ihrer philosophischen und
wissenschaftlichen Vorbildung in schroffem Missverhältnis steht.«18 Jaspers musste
sich durch diese Stellungnahme angegriffen fühlen und konnte sich doch zugleich
bestätigt sehen.
Gegenüber Springer hatte er mehrfach betont, dass seine Psychologie der Weltan-
schauungen in erster Linie nicht an die Fachwelt, sondern an ein breiteres Publikum
adressiert sei - eine besondere Wirkung erhoffe er gerade auch »in weiteren Kreisen
der Gebildeten«.19 Dass er mit dem Buch ein Bedürfnis der Zeit bediente, war ihm
durchaus bewusst: Ȇberall tauchen ja jetzt zunehmend weltanschauliche Fragen auf
und bewegen viele Menschen (sichtbar in den Zeitungen, auf der Bühne, im Religi-
ösen, vor allem auch bei der heutigen Jugend).«20 Insofern schien auch Jaspers ganz
auf der Linie jenes Zeitgeistes zu liegen, den Hönigswald nicht zu Unrecht kritisierte.
Doch dem war nicht so: Jaspers war gerade keiner jener Weltanschauungslitera-
ten, die ihrem spekulativen Impuls allzu leichtfertig nachgaben und gängige Rati-
onalitätskriterien nur bedingt erfüllten. Vielmehr entsprach er jenem Anspruch an
Wissenschaftlichkeit, den Hönigswald so nachdrücklich einklagte. Die Psychologie
der Weltanschauungen sei nicht nur »mit wissenschaftlichen und fachmässigen Mit-
teln gearbeitet«, sie zeichne sich darüber hinaus durch eine strenge methodische Zu-
rückhaltung aus: »Es wird versucht, nirgends das Wissenschaftlich-Mögliche zu über-
schreiten, hier aber auch bis zu den äussersten Grenzen zu gehen und überall praecis
und klar zu fassen, was in den Seelen meist unklar und halbbewusst vor sich geht.«21
Indem Jaspers beides, die weltanschaulich breitenwirksame Thematik und die wissen-
schaftlich kontrollierte Methodik, zu verbinden wusste, führte er die Philosophie aus
dem Gegensatz von Wissenschaft und Weltanschauung heraus und öffnete sie für et-
was Neues: für jene Existenzphilosophie, die das Alte, die philosophiaperennis, wieder
unverkürzt zur Geltung brachte.
Ein namhafter Verlag wie Springer, der seinen Ruf auf dem Gebiet der Wissen-
schaft erworben hatte, schien für diese Aufgabe besonders geeignet; im Vertrauen
auf den Autor ist er Jaspers’ Weg von der Psychopathologie über die Psychologie zur

18 R. Hönigswald an F. Springer, 28. Mai 1923, ebd., 307.
19 K. Jaspers an F. Springer, 1. Juni 1917, ebd., 282.
20 K. Jaspers an F. Springer, 30. April 1918, ebd., 285.
21 Ebd.
 
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