Karl Jaspers - Meiner (1933-1954)
207 Felix Meiner an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, auf Briefpapier der Felix Meiner Verlagsbuchhandlung, Leipzig
8-5-33
Sehr geehrter Herr Professor!
Darf ich Sie wohl in folgendem um Ihren freundlichen Rat bitten:
Es wird mir zur Übersetzung angeboten,
1. ) eine Einleitung in das Verständnis Kierkegaards, geschrieben von der dänischen
Kierkegaard-Autorität Carl Koch. Es liegt davon bereits die 4. Auflage der 2. ver-
mehrten Ausgabe vor.
2. ) Die beste dänische Kierkegaard-Anthologie, ebenfalls von Carl Koch zusammen-
gestellt.
3. ) Kierkegaards Tagebücher, die noch nicht ins Deutsche übersetzt seien.421
In erster Linie möchte ich fragen, ob Ihnen Carl Kochs Einleitung bekannt ist, ob et-
was ähnliches auf deutsch schon existiert und ob Sie meinen, dass Koch zur Klärung
der Probleme, die die Deutschen in Kierkegaard finden, beitragen könnte.
Über die bei Diederichs erschienene Schrempf’sche Übersetzung Kierkegaards
wird ja wohl vielfach geklagt, aber für welche Übersetzung trifft das nicht zu?422 Glau-
ben Sie, dass eine Kierkegaard-Anthologie in neuer Übersetzung in weiteren Kreisen
für die Verbreitung seiner Gedanken stark wirken könnte?
Für wissenschaftliche Beschäftigung wird die Anthologie ja nicht in Frage kom-
men, wie steht es hierbei mit den Tagebüchern? Dass eine stärkere akademische Nach-
frage einsetzt, ist jawohl auch unwahrscheinlich, sodass der buchhändlerische Erfolg
dieser davon abhängig wäre, ob im breiteren Publikum für diese Interesse bestünde.
Und damit komme ich zu der Hauptfrage: Wie urteilen Sie überhaupt über das In-
teresse an Kierkegaard unter den neuen Verhältnissen? Kann man annehmen, dass die
jetzt im Vordergrund stehenden geistigen Kräfte sich zu K. zurückfinden werden? Da
Männer wie Sie und Martin Heidegger zu den Freunden K.’s zählen, könnten solche
positive Verbindungen sich wohl finden lassen.423 Ob freilich in absehbarer Zeit das
Bücherlesen gegenüber dem aufwühlenden Inhalte der Zeitungen wieder zu seinem
Rechte kommen wird, ist eine andere Frage, die man vorläufig, zumal in Anbetracht
der starken Umschichtung, nur mit Zurückhaltung beantworten kann.
207 Felix Meiner an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, auf Briefpapier der Felix Meiner Verlagsbuchhandlung, Leipzig
8-5-33
Sehr geehrter Herr Professor!
Darf ich Sie wohl in folgendem um Ihren freundlichen Rat bitten:
Es wird mir zur Übersetzung angeboten,
1. ) eine Einleitung in das Verständnis Kierkegaards, geschrieben von der dänischen
Kierkegaard-Autorität Carl Koch. Es liegt davon bereits die 4. Auflage der 2. ver-
mehrten Ausgabe vor.
2. ) Die beste dänische Kierkegaard-Anthologie, ebenfalls von Carl Koch zusammen-
gestellt.
3. ) Kierkegaards Tagebücher, die noch nicht ins Deutsche übersetzt seien.421
In erster Linie möchte ich fragen, ob Ihnen Carl Kochs Einleitung bekannt ist, ob et-
was ähnliches auf deutsch schon existiert und ob Sie meinen, dass Koch zur Klärung
der Probleme, die die Deutschen in Kierkegaard finden, beitragen könnte.
Über die bei Diederichs erschienene Schrempf’sche Übersetzung Kierkegaards
wird ja wohl vielfach geklagt, aber für welche Übersetzung trifft das nicht zu?422 Glau-
ben Sie, dass eine Kierkegaard-Anthologie in neuer Übersetzung in weiteren Kreisen
für die Verbreitung seiner Gedanken stark wirken könnte?
Für wissenschaftliche Beschäftigung wird die Anthologie ja nicht in Frage kom-
men, wie steht es hierbei mit den Tagebüchern? Dass eine stärkere akademische Nach-
frage einsetzt, ist jawohl auch unwahrscheinlich, sodass der buchhändlerische Erfolg
dieser davon abhängig wäre, ob im breiteren Publikum für diese Interesse bestünde.
Und damit komme ich zu der Hauptfrage: Wie urteilen Sie überhaupt über das In-
teresse an Kierkegaard unter den neuen Verhältnissen? Kann man annehmen, dass die
jetzt im Vordergrund stehenden geistigen Kräfte sich zu K. zurückfinden werden? Da
Männer wie Sie und Martin Heidegger zu den Freunden K.’s zählen, könnten solche
positive Verbindungen sich wohl finden lassen.423 Ob freilich in absehbarer Zeit das
Bücherlesen gegenüber dem aufwühlenden Inhalte der Zeitungen wieder zu seinem
Rechte kommen wird, ist eine andere Frage, die man vorläufig, zumal in Anbetracht
der starken Umschichtung, nur mit Zurückhaltung beantworten kann.