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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0061
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LX

Einleitung des Herausgebers

Dinge hergestellt« werde. Gadamer war es eine »Genugtuung, daß wirklich die wei-
testen Kreise unserer Stadt und unseres Landes, von den Spitzen der Behörden bis zu
den Vertretungen der politischen Parteien, der Gewerkschaften und der Betriebe, un-
serem Ruf gefolgt sind und mit uns vereint diese Stunde begehen.«166 Jaspers konnte
sich vage erinnern, dass Gadamer ihm seinerzeit das Manuskript gegeben hatte und
er von der Lektüre irritiert war. Geradezu »erschreckt« sei er gewesen »über die Mög-
lichkeit der Benutzung philosophischer Sprachweise zu einer mir unerträglich schei-
nenden Anpassung (sei sie unter Nationalsocialisten- oder unter Communisten-Herr-
schaft vollzogen) und über die Naivheit Gadamers, der es gar nicht merkte.«167 Das
alles mit Stalin in Verbindung zu bringen, wie Thiel es getan hatte, hielt Jaspers für
gewagt, änderte aber nichts daran, dass der Angriff selbst Wahrheit enthielt und des-
halb »sehr verdienstlich«168 war.
Gleichwohl ahnte Jaspers schon, dass es zu einer philosophischen, die Sache aus-
tragenden Polemik wohl nicht kommen würde. Was Thiel betraf, fehlte ihm dazu
die analytische Schärfe: »Ich vermute, dass Thiel durch Citate aus dieser Schrift sei-
nen Angriff dokumentarisch unterbauen könnte, wenn er das Talent hätte. Das aber
fordert eine Unterscheidungskraft, Sauberkeit und Gerechtigkeit, die ich ihm nicht
zutraue.«169 Auf der Gegenseite fehlte indessen der geistig-politische Wille, sich über-
haupt auf die Sache einzulassen. An einer philosophischen Polemik war man dort gar
nicht interessiert und suchte die Angelegenheit anders zu lösen: »Wenn ich an Blu-
menbergs >Drohung< denke, so würde sie bei einer verlässlichen Gemeinschaftlich-
keit geistigen Lebens und Kämpfens an den Universitäten nichts bedeuten. Bei dem
Niedergang dieses Geistes und dem Sichvordrängen von Konventionen, von Formalis-
men, Policen bin ich nicht sicher, wieviele Professoren aus Unklarheit über die Princi-
pien einer Polemik, aus beschränktem Fachhorizont, aus Ruhebedürfnis und Feigheit,
aus falsch verstandener Kollegialität einem Angriff auf Herausgeber und Verlag zu-
stimmen würden.«170 Angesichts dieser resignativen Einsicht wundert es nicht, dass
Jaspers später auf die Frage, ob denn die philosophische Polemik früher »ebenso kraß«
wie heute gewesen sei, antwortete: »Was man heute beklagen kann, ist nicht eigent-

166 H.-G. Gadamer: Über die Ursprünglichkeit der Wissenschaft, 5-6.
167 K. Jaspers an H. Götze, o.D., in diesem Band, Stellenkommentar, Nr. 941. - Gegenüber Gada-
mer selbst hatte Jaspers diese Kritik seinerzeit nur angedeutet und eine weitere Erörterung auf
das persönliche Gespräch verschoben. Vgl. K. Jaspers an H.-G. Gadamer, 8. November 1946, in:
K. Jaspers: Korrespondenzen Philosophie, 336.
168 K. Jaspers an H. Götze, o.D., in diesem Band, S. 403.
169 Ebd., Stellenkommentar, Nr. 941. - Bei Springer stimmte man dieser Einschätzung zu: »Ich teile
übrigens ganz und gar Ihre Skepsis hinsichtlich der Fähigkeit Dr. Thiels, einen Angriff bezw. eine
Polemik in scharfer, aber klarer und überzeugender Form zu führen.« (H. Götze an K. Jaspers,
4. November 1959, ebd., 407).
170 K. Jaspers an H. Götze, 31. Oktober 1959, ebd., 406.
 
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