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Einleitung des Herausgebers
kammer oder eine Befreiung davon nachweisen könne, gegenstandslos wurde. Selbst
seine kleinen Aufsätze, auf die er in Zukunft hatte verzichten wollen, unterlagen hin-
sichtlich ihrer Klassifizierung offensichtlich keinem Zweifel, sie gingen als populär-
wissenschaftlich durch. Einer Fortsetzung seiner Publikationstätigkeit stand vor die-
sem Hintergrund nichts mehr im Wege. So bat er, die »Verfügung vom 27. 2.1943, die
meine Arbeit zur Berufsausübung als Schriftsteller rechnet, aufzuheben«.284 Doch
wie schon in seinem Schreiben vom 3. März baute er auch hier noch einmal vor. Für
den Fall, dass die wissenschaftliche Arbeit eines Ruhestandsbeamten nicht mehr als
Berufsausübung zählte, bleibe wohl »eine Prüfung« der jeweiligen Veröffentlichung
»auf ihren fachwissenschaftlichen Charakter« notwendig. Seine Allgemeine Psychopa-
thologie, die im Manuskript abgeschlossen sei, wolle er dieser Prüfung gern unterzie-
hen und bitte daher, ihre Veröffentlichung zu gestatten. »Wenn dies in Form eines Be-
freiungsscheins zu geschehen hat, bitte ich Sie um einen solchen Befreiungsschein.
Für etwa andere in Zukunft geplante Veröffentlichungen müsste ich dann jeweils vor-
her bei Ihnen anfragen.«
Derart in die Enge getrieben, brach die Reichsschrifttumskammer jede weitere Dis-
kussion ab. Ohne Angabe von Gründen teilte sie Jaspers mit, dass Jaspers »als Fach-
autor im Zuständigkeitssinne der Reichsschrifttumskammer« zu betrachten sei und
somit zur Verwertung von schriftstellerischen Arbeiten den Nachweis der Mitglied-
schaft oder einen Befreiungsschein benötige. »Ich stelle Ihnen anheim, mir unter Be-
nutzung des beiliegenden Vordrucks einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten,
und mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass Sie ohne den Nachweis der Mit-
gliedschaft oder des Befreiungsscheines zur Berufsausübung als Schriftsteller nicht
berechtigt sind und Zuwiderhandlungen gemäss § 28 der Ersten Durchführungsver-
ordnung zum Reichskulturgesetz von mir mit einer Ordnungsstrafe belangt werden
können.«285
Jaspers stand nun wieder da, wo er ein Jahrzehnt zuvor gestanden hatte, als er
eine Aufnahmeerklärung und einen ausgefüllten Fragebogen »zwecks Eingliederung
in die Reichsschrifttumskammer« einreichte.286 Im Unterschied zu damals stellte er
den Antrag nun allerdings nicht: Das Formular erfragte auch die »Rassezugehörig-
keit« des Ehepartners.
Aufgrund dieses Schreibens sprach und spricht man in der Forschung immer wie-
der von einem Publikationsverbot. »Die Reichsschrifttumskammer verhinderte ab
1938 und verbot ab 1943 weitere Publikationen.«287 Man habe Jaspers »ab 1938 ein in-
284 K. Jaspers an den Präsidenten der Reichsschrifttumskammer, 7. März 1943, ebd., 627.
285 Präsident der Reichsschrifttumskammer an K. Jaspers, n. März 1943, ebd., 628.
286 K. Jaspers an den Reichsverband Deutscher Schriftsteller, 31. Januar 1934, ebd., 617.
287 H. Saner: Karl Jaspers, Reinbek bei Hamburg I22OO5, 45. Vgl. auch die Rede vom »Verbot der Be-
rufsausübung eines Schriftstellers« in: H. Saner: »Überleben mit einer Jüdin in Deutschland.
Einleitung des Herausgebers
kammer oder eine Befreiung davon nachweisen könne, gegenstandslos wurde. Selbst
seine kleinen Aufsätze, auf die er in Zukunft hatte verzichten wollen, unterlagen hin-
sichtlich ihrer Klassifizierung offensichtlich keinem Zweifel, sie gingen als populär-
wissenschaftlich durch. Einer Fortsetzung seiner Publikationstätigkeit stand vor die-
sem Hintergrund nichts mehr im Wege. So bat er, die »Verfügung vom 27. 2.1943, die
meine Arbeit zur Berufsausübung als Schriftsteller rechnet, aufzuheben«.284 Doch
wie schon in seinem Schreiben vom 3. März baute er auch hier noch einmal vor. Für
den Fall, dass die wissenschaftliche Arbeit eines Ruhestandsbeamten nicht mehr als
Berufsausübung zählte, bleibe wohl »eine Prüfung« der jeweiligen Veröffentlichung
»auf ihren fachwissenschaftlichen Charakter« notwendig. Seine Allgemeine Psychopa-
thologie, die im Manuskript abgeschlossen sei, wolle er dieser Prüfung gern unterzie-
hen und bitte daher, ihre Veröffentlichung zu gestatten. »Wenn dies in Form eines Be-
freiungsscheins zu geschehen hat, bitte ich Sie um einen solchen Befreiungsschein.
Für etwa andere in Zukunft geplante Veröffentlichungen müsste ich dann jeweils vor-
her bei Ihnen anfragen.«
Derart in die Enge getrieben, brach die Reichsschrifttumskammer jede weitere Dis-
kussion ab. Ohne Angabe von Gründen teilte sie Jaspers mit, dass Jaspers »als Fach-
autor im Zuständigkeitssinne der Reichsschrifttumskammer« zu betrachten sei und
somit zur Verwertung von schriftstellerischen Arbeiten den Nachweis der Mitglied-
schaft oder einen Befreiungsschein benötige. »Ich stelle Ihnen anheim, mir unter Be-
nutzung des beiliegenden Vordrucks einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten,
und mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass Sie ohne den Nachweis der Mit-
gliedschaft oder des Befreiungsscheines zur Berufsausübung als Schriftsteller nicht
berechtigt sind und Zuwiderhandlungen gemäss § 28 der Ersten Durchführungsver-
ordnung zum Reichskulturgesetz von mir mit einer Ordnungsstrafe belangt werden
können.«285
Jaspers stand nun wieder da, wo er ein Jahrzehnt zuvor gestanden hatte, als er
eine Aufnahmeerklärung und einen ausgefüllten Fragebogen »zwecks Eingliederung
in die Reichsschrifttumskammer« einreichte.286 Im Unterschied zu damals stellte er
den Antrag nun allerdings nicht: Das Formular erfragte auch die »Rassezugehörig-
keit« des Ehepartners.
Aufgrund dieses Schreibens sprach und spricht man in der Forschung immer wie-
der von einem Publikationsverbot. »Die Reichsschrifttumskammer verhinderte ab
1938 und verbot ab 1943 weitere Publikationen.«287 Man habe Jaspers »ab 1938 ein in-
284 K. Jaspers an den Präsidenten der Reichsschrifttumskammer, 7. März 1943, ebd., 627.
285 Präsident der Reichsschrifttumskammer an K. Jaspers, n. März 1943, ebd., 628.
286 K. Jaspers an den Reichsverband Deutscher Schriftsteller, 31. Januar 1934, ebd., 617.
287 H. Saner: Karl Jaspers, Reinbek bei Hamburg I22OO5, 45. Vgl. auch die Rede vom »Verbot der Be-
rufsausübung eines Schriftstellers« in: H. Saner: »Überleben mit einer Jüdin in Deutschland.