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Karl Jaspers - Francke
dera ungünstigsten Bedingungen - es viele gibt, die in ihrer Haltung für ihre Überlie-
ferung ein Bekenntnis abzulegen bereit sind. Möge dies doch in einer Welt des Hasses
ein Zeugnis sein, dass die Well[e] der »Humanitas« nicht ganz unter den Menschen
abgeklungen ist. Trotzdem es gewiss verfrüht ist und trotzdem mir De Rosa in keiner
Weiseb hierüber geschrieben hat, benütze ich die Gelegenheit, um Sie zu bitten, ihn
für ein ev. italienisches Lektorat in Heidelberg gegenwärtig zu halten.
Mit diesem Brief erlaube ich mir, [Ihnen] zwei Bände einer Sammlung, die hier
in der Schweiz herauskommt und die von Prof. Szilasi und von mir herausgegeben
wird,144 zukommen zu lassen. Leider erscheint der dritte Band, Ue[x]küll - Grassi, erst
in den nächsten Tagen, so dass es mir nicht möglich ist, ihn sofort beizulegen, er wird
folgen. In diesem Jahre erscheinen noch: F. Guicciardini - der Freund Macchiavellis -
»Das politische Erbe der Renaissance«; Szilasi[s] »Macht und Ohnmacht des Geistes«
und Guardinis »Deutung der Dueneser [sic!] Elegien«.145 Die Arbeit von Szilasi wird Sie
ganz besonders interessieren, denn sie ist hauptsächlich eine Interpretation der Niko-
machischen Ethik und des Philebos und es ist wirklich ein sehr aufregendes Werk.
Anfang 46 erscheinen noch mein [Buch] »Verteidigung des individuellen Lebens«,
das das Problem der humanistischen Überlieferung in ihrer philosophischen Bedeu-
tung behandelt,146 weiterhin Werke von G. B. Vico, Leopardi, Reinhardt, Staiger usw.147
Die Sammlung teilt sich in zwei Reihen - wie Sie aus den Prospekten am Ende des
Thukydides und des Tod des Sokrates ersehen können.148 Der Tod des Sokrates gehört
zur Reihe »Probleme und Hinblicke«, die mehr einen einführenden populären Cha-
rakter hat; sie soll das »Lesen« der Texte wieder anregen und dazu anführen. Ausser-
ordentlich dankbar wäre ich Ihnen, wenn Sie meine Einleitung zum Band Thukydi-
des lesen würden,149 denn sie ist gedacht als Programm der ganzen Sammlung und Sie
können daraus unsere Absichten erkennen.
Nun höre ich von Dr. Bally, dass Sie gerne hier in der Schweiz eine oder mehrere Ar-
beiten veröffentlichen würden. Nun wäre es zu schade, wenn Ihre Bücher isoliert in ir-
gendeinem Verlag erscheinen würden. Mir scheint es mehr als je von grösster Wich-
tigkeit, dass eine ganze Reihe von Namen, wie Guardini, Reinhardt, Otto, Kriegbaum
usw., zusammen bleiben.150 Immer mehr versinken wir in der Barbarei, und wenn Eu-
ropa geistig noch etwas bedeuten soll und kann, müssen solche Namen und Bemühun-
gen gemeinsam wirken und als Kristallisationspunkt dastehen. Auch in den traurigs-
ten Jahren habe ich mich bemüht, eine solche Arbeit mit Guardini, Otto, Reinhardt zu
vollbringen, und die jetzige Sammlung ist gewissermassen eine Fortsetzung der dama-
ligen Bemühungen, die ich mit der »Geistigen Überlieferung« zu verwirklichen ver-
suchte.151 Ich befinde mich momentan in Basel, und meine Adresse ist: Prof. Ernesto
a statt der im Typoskript dem
b nach Weise im Typoskript noch einmal mir
Karl Jaspers - Francke
dera ungünstigsten Bedingungen - es viele gibt, die in ihrer Haltung für ihre Überlie-
ferung ein Bekenntnis abzulegen bereit sind. Möge dies doch in einer Welt des Hasses
ein Zeugnis sein, dass die Well[e] der »Humanitas« nicht ganz unter den Menschen
abgeklungen ist. Trotzdem es gewiss verfrüht ist und trotzdem mir De Rosa in keiner
Weiseb hierüber geschrieben hat, benütze ich die Gelegenheit, um Sie zu bitten, ihn
für ein ev. italienisches Lektorat in Heidelberg gegenwärtig zu halten.
Mit diesem Brief erlaube ich mir, [Ihnen] zwei Bände einer Sammlung, die hier
in der Schweiz herauskommt und die von Prof. Szilasi und von mir herausgegeben
wird,144 zukommen zu lassen. Leider erscheint der dritte Band, Ue[x]küll - Grassi, erst
in den nächsten Tagen, so dass es mir nicht möglich ist, ihn sofort beizulegen, er wird
folgen. In diesem Jahre erscheinen noch: F. Guicciardini - der Freund Macchiavellis -
»Das politische Erbe der Renaissance«; Szilasi[s] »Macht und Ohnmacht des Geistes«
und Guardinis »Deutung der Dueneser [sic!] Elegien«.145 Die Arbeit von Szilasi wird Sie
ganz besonders interessieren, denn sie ist hauptsächlich eine Interpretation der Niko-
machischen Ethik und des Philebos und es ist wirklich ein sehr aufregendes Werk.
Anfang 46 erscheinen noch mein [Buch] »Verteidigung des individuellen Lebens«,
das das Problem der humanistischen Überlieferung in ihrer philosophischen Bedeu-
tung behandelt,146 weiterhin Werke von G. B. Vico, Leopardi, Reinhardt, Staiger usw.147
Die Sammlung teilt sich in zwei Reihen - wie Sie aus den Prospekten am Ende des
Thukydides und des Tod des Sokrates ersehen können.148 Der Tod des Sokrates gehört
zur Reihe »Probleme und Hinblicke«, die mehr einen einführenden populären Cha-
rakter hat; sie soll das »Lesen« der Texte wieder anregen und dazu anführen. Ausser-
ordentlich dankbar wäre ich Ihnen, wenn Sie meine Einleitung zum Band Thukydi-
des lesen würden,149 denn sie ist gedacht als Programm der ganzen Sammlung und Sie
können daraus unsere Absichten erkennen.
Nun höre ich von Dr. Bally, dass Sie gerne hier in der Schweiz eine oder mehrere Ar-
beiten veröffentlichen würden. Nun wäre es zu schade, wenn Ihre Bücher isoliert in ir-
gendeinem Verlag erscheinen würden. Mir scheint es mehr als je von grösster Wich-
tigkeit, dass eine ganze Reihe von Namen, wie Guardini, Reinhardt, Otto, Kriegbaum
usw., zusammen bleiben.150 Immer mehr versinken wir in der Barbarei, und wenn Eu-
ropa geistig noch etwas bedeuten soll und kann, müssen solche Namen und Bemühun-
gen gemeinsam wirken und als Kristallisationspunkt dastehen. Auch in den traurigs-
ten Jahren habe ich mich bemüht, eine solche Arbeit mit Guardini, Otto, Reinhardt zu
vollbringen, und die jetzige Sammlung ist gewissermassen eine Fortsetzung der dama-
ligen Bemühungen, die ich mit der »Geistigen Überlieferung« zu verwirklichen ver-
suchte.151 Ich befinde mich momentan in Basel, und meine Adresse ist: Prof. Ernesto
a statt der im Typoskript dem
b nach Weise im Typoskript noch einmal mir