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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0186
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Karl Jaspers - de Gruyter

69

61 Karl Jaspers an Konrad Grethlein
Typoskript; VA de Gruyter
Zudem ist ein hs. Entwurf desselben Datums (DLA, A: Jaspers) erhalten.
EV: D. Fouquet-Plümacher: »Aus dem Archiv des Verlages Walter de Gruyter. Briefe Urkunden Doku-
mente«, bearbeitet von D. Fouquet-Plümacher und M. Wolter, Berlin, New York 1980, 98-99.
Heidelberg 24/2 1929
Sehr geehrter Herr Grethlein!
Auf Ihr freundliches Angebot vom 18/2 bin ich noch etwas zögernd. Ich weiss nicht,
ob ich in der Lage bin, die Sache zu übernehmen.
Zunächst macht mir Ihre Begrenzung des Themas, die in sich consequent und
sinnvoll ist, Schwierigkeiten. Gestatten Sie, dass ich ohne viel Begründung nur kurz
sage, wie ich mir die Aufgabe denke. Im Unterschied vom 19. Jahrhundert, das noch
jeweils die eigene Zeit, wie die Vergangenheit, meistens bildhaft, distancierend sah,
ist heute das »Bewusstsein der Gefahr« so gross, die entscheidende geistige Produk-
tion in der Extensität, welche garnicht mehr übersehbar ist, so fragwürdig, dass eine
Darstellung der »geistigen Bewegung« wenigstens für mich zu verwegen wäre. Ich
würde vorschlagen etwa: »Die geistige Situation der Gegenwart«. Damit käme viel-
leicht sofort der andere Ansatz zum Ausdruck. - Dann würde bei meiner faktischen
Kenntnis und meinem wirklichen Dasein unwillkürlich3 das Deutsche in den Vorder-
grund treten, sofern beispielhafte Veranschaulichung vorkommt. Erscheinungen, die
einem Amerikaner vielleicht specifisch deutsch erscheinen, erscheinen mir »abend-
ländisch«. Zweifellos universell ist nur das Gehaltlose oder das Wasser, in dem wir alle
leben.170 Ich müsste daher bitten, mir vollständige Freiheit zu lassen in der Wahl der
Probleme und der Veranschaulichung. - Schliesslich würde es sich für mich nicht um
eine »objektive Darstellung« handeln, die man als Unbeteiligter lesen kann, sondern
der Leser müsste selbst sich zur Mitentscheidung aufgerufen fühlen. Das »Wozu« der
Entscheidung bliebe unerfüllt, und nur als »Freiheit«, »Idee«, »Einzelner«, »Transcen-
denz« im Unbestimmten.
Eine Sorge ist mir noch, dass ich an einem grösseren Werk tätig bin und darin nicht
gern gestört werde.171 Bis wann möchten Sie das druckfertige Manuskript haben?
Falls Sie mit der vollkommenen Freiheit für mich und mit dem anders formulier-
ten Titel einverstanden wären, würde ich Sie um einen Vertragsentwurf bitten. Ich
darf annehmen, dass ich dann meine endgültige Entscheidung in zwei bis drei Wo-
chen treffen darf. Bis dahin wird sich hoffentlich bei mir die Anlage des Ganzen so-
weit kristallisiert haben, dass ich die noch zu leistende Arbeit übersehe.

a nach unwillkürlich im Entwurfgestr. trotz aller anderen Absicht
 
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