Karl Jaspers - Kohlhammer
205
möchte ich meinen Plan in der heutigen wissenschaftlichen Kenntnis gründen - ge-
genüber den anderen Bemühungen um das Zusammentragen des heutigen Wissens-
stoffes möchte mein Plan über die Enzyklopädie hinausführen, die Beziehung zum
Menschen herstellen und auf eine Sinnmitte hinlenken. Im Sinne Ihres Werkes - wie
ich es zu verstehen glaube - soll die Wissenschaft bezeugen, was sie zu leisten vermag:
die Erkenntnis der uns umgebenden Realität bis zu der Grenze, die jeglichem wissen-
schaftlichen Erkennen gezogen ist. Eine hier anknüpfende philosophische Besinnung
sollte dann erweisen, was die Philosophie zu leisten vermag: gegenüber der Zerstreu-
ung der Wissenschaft in vielfältiges Wissen die Stimme des Einen hörbar zu machen,
auf das alle Einzelerkenntnis bezogen, erst ihren Wert für den Menschen erhält.
Was die Form des Buches betrifft, so dachte ich zunächst an die Darstellung in Ge-
sprächen, habe aber diesen Gedanken als zu schwierig durchzuführen fallen gelas-
sen. Dabei war ich wohl auch dem Irrtum erlegen, die innere Form der mir vorschwe-
benden dialogischen Spannung zur äusseren Form machen zu wollen. Dann dachte
ich an vier Bände, in denen jeweils die Philosophie, die Soziologie, die Geschichts-
und die Naturwissenschaft zu Worte kommen sollte. Heute glaube ich, dass der Plan
nach dem ausgeführten Grundgedanken am besten in einem Band verwirklicht wird.
Den ersten Teil sollten die Beiträge der Wissenschaften bilden, die heute unser Bild
von der Welt bestimmen, den zweiten Teil die an den ersten anknüpfende philoso-
phische Erörterung.
Wenn dieser Weg gegangen werden soll, dann erhebt sich die Frage, ob nicht die
innere Beziehung der beiden Teile bereits durch einen Vorentwurf der Themen des
ersten Teils aus der Gedankenführung des zweiten Teils hergestellt werden muss.
Ich sehe in der Verwirklichung dieses Planes in vieler Hinsicht ein sinnvolles Un-
ternehmen. Es stellt dar: Zunächst eine geistige Orientierungshilfe; weiter einen Bei-
trag zur Ortsbestimmung unserer Zeit und zur Klärung der Situation; aber auch eine
Veranschaulichung dessen, was Wissenschaft, was Philosophie zu leisten vermag;
und damit zugleich, wo die Grenzen zwischen ihnen verlaufen; als Ganzes [ver]mag
dieses Buch schliesslich etwas von der heute bedrohten Idee der Universitas zu bezeu-
gen. Hierzu ist es ein Buch aus dem geistigen Raum der Universität und richtet sich
zuallernächst an die Studenten - ein Anliegen, das ganz dem Wesen unseres Verla-
ges entspricht.
Ich habe bisher diesen Plan nur Herrn Dr. Hans Bähr, einem Studienfreund, und
Herrn Professor Fritz Kaufmann gegenüber geäussert.413 Beider Zustimmungen er-
mutigen mich, Sie um Ihre Meinung und womöglich um Ihre Mitwirkung zu bitten.
Mit verbindlichem Gruss
Ihr sehr ergebener
Dr. Zilius
205
möchte ich meinen Plan in der heutigen wissenschaftlichen Kenntnis gründen - ge-
genüber den anderen Bemühungen um das Zusammentragen des heutigen Wissens-
stoffes möchte mein Plan über die Enzyklopädie hinausführen, die Beziehung zum
Menschen herstellen und auf eine Sinnmitte hinlenken. Im Sinne Ihres Werkes - wie
ich es zu verstehen glaube - soll die Wissenschaft bezeugen, was sie zu leisten vermag:
die Erkenntnis der uns umgebenden Realität bis zu der Grenze, die jeglichem wissen-
schaftlichen Erkennen gezogen ist. Eine hier anknüpfende philosophische Besinnung
sollte dann erweisen, was die Philosophie zu leisten vermag: gegenüber der Zerstreu-
ung der Wissenschaft in vielfältiges Wissen die Stimme des Einen hörbar zu machen,
auf das alle Einzelerkenntnis bezogen, erst ihren Wert für den Menschen erhält.
Was die Form des Buches betrifft, so dachte ich zunächst an die Darstellung in Ge-
sprächen, habe aber diesen Gedanken als zu schwierig durchzuführen fallen gelas-
sen. Dabei war ich wohl auch dem Irrtum erlegen, die innere Form der mir vorschwe-
benden dialogischen Spannung zur äusseren Form machen zu wollen. Dann dachte
ich an vier Bände, in denen jeweils die Philosophie, die Soziologie, die Geschichts-
und die Naturwissenschaft zu Worte kommen sollte. Heute glaube ich, dass der Plan
nach dem ausgeführten Grundgedanken am besten in einem Band verwirklicht wird.
Den ersten Teil sollten die Beiträge der Wissenschaften bilden, die heute unser Bild
von der Welt bestimmen, den zweiten Teil die an den ersten anknüpfende philoso-
phische Erörterung.
Wenn dieser Weg gegangen werden soll, dann erhebt sich die Frage, ob nicht die
innere Beziehung der beiden Teile bereits durch einen Vorentwurf der Themen des
ersten Teils aus der Gedankenführung des zweiten Teils hergestellt werden muss.
Ich sehe in der Verwirklichung dieses Planes in vieler Hinsicht ein sinnvolles Un-
ternehmen. Es stellt dar: Zunächst eine geistige Orientierungshilfe; weiter einen Bei-
trag zur Ortsbestimmung unserer Zeit und zur Klärung der Situation; aber auch eine
Veranschaulichung dessen, was Wissenschaft, was Philosophie zu leisten vermag;
und damit zugleich, wo die Grenzen zwischen ihnen verlaufen; als Ganzes [ver]mag
dieses Buch schliesslich etwas von der heute bedrohten Idee der Universitas zu bezeu-
gen. Hierzu ist es ein Buch aus dem geistigen Raum der Universität und richtet sich
zuallernächst an die Studenten - ein Anliegen, das ganz dem Wesen unseres Verla-
ges entspricht.
Ich habe bisher diesen Plan nur Herrn Dr. Hans Bähr, einem Studienfreund, und
Herrn Professor Fritz Kaufmann gegenüber geäussert.413 Beider Zustimmungen er-
mutigen mich, Sie um Ihre Meinung und womöglich um Ihre Mitwirkung zu bitten.
Mit verbindlichem Gruss
Ihr sehr ergebener
Dr. Zilius