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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0534
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Karl Jaspers - Springer

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Dass eine Zusammenarbeit mit Dr. Thiel fortgesetzt werden könnte, halte ich
mit Ihnen für fast oder ganz unmöglich. Die Sorge ist nun, wer Nachfolger werden
könnte. Ich weiss leider niemanden. Die zweite Frage ist wohl der Zeitpunkt, zu dem
die Schriftleiterposition Dr. Thiels aufhören soll.
Der Brief des Rechtsanwalts scheint mir fatal. Es kommt nicht klar zum Ausdruck,
dass er für Prof. Gadamer als Mandanten3 schreibt. Ist es so, dann scheint mir das
Verfahren seitens Gadamers ungehörig. Ist Prof. Gadamer beleidigt, so kann er das
Gericht gegen Dr. Thiel anrufen, oder er kann im Studium generale antworten, oder
beides zugleich. Aber auf dem Weg über den Rechtsanwalt den Verlag unter Druck zu
setzen, das ist für mein Gefühl empörend.
Wofür ist denn der Verlag haftbar? Ich kenne die juristische Situation nicht genü-
gend. Aber die Ausdrucksweise: »wäre Ihnen für eine Mitteilung dankbar, ob Sie im
Interesse Ihres Verlags diese Angelegenheit in einer Herrn Professor Gadamer befriedi-
genden Weise regeln wollen« scheint mir ein juristisch unklarer Druckb. Darauf kann
man seinerseits nur juristisch denken.
Hinter dem juristischen Akt durch einen Advokaten steht dochc der Wille, durch
den Verlag Thiel zu zwingen oder ihn von seinem Posten zu entfernen. Würde der
Verlag dies auf Druck tun (und nicht wegen des internen Bruchs des Vertrauensver-
hältnisses), so würde er der Anklage des Rechtsanwalts gegen Thiel recht geben und
Partei sein. Der Brief Thiels an den Winter-Verlag und die Verbreitung dieses Briefes
durch ihn selbst geht an sich den Verlag m.E. juristisch nichts an. Wenn Thiel deswe-
gen von einem Gericht verurteilt würde, so wäre das ein Faktum, das dann auch für
den Verlag nach seinem Ermessen Consequenzen haben kann.
Ich denke in Analogie an Disciplinarverfahren gegen Docenten wegen Verletzung
der Ehre und Würde der Universität. In dem Universitätsstatut Heidelbergs (von etwa
1803, nicht später, als man die Dinge nicht mehr so gut begriff wie damals in unse-
rer klassischen Zeit) hiess es: nur nach Verurteilung wegen eines Vergehens gegen das
Strafgesetzbuch kann die venia legendi entzogen werden.964 So würde ich denken: der
Verlag hat nicht selbst zu prüfen und anderen gegenüber zu beurteilen, was Dr. Thiel
mit Verbreitung jenes Briefes getan hat. Die Classifizierung durch den Rechtsanwalt
ist weit entfernt von einem objektiven gerichtlichen Urteil; nur ein Gericht kann ent-
scheiden. Prof. Gadamer müsste sich entschliessen, das Gericht anzurufen. Beide Teile
hätten den Wahrheitsbeweis anzutreten. Nach Abschluss zieht der Verlag seine Con-
sequenzen. Wie das Verfahren ausgehen würde, ist m.E. nicht vorherzusehen.

a statt für Professor Gadamer als Mandanten im Entwurf als Mandanten für Prof. Gadamer
b nach Druck gestr. auf den Verlag, der für mein Gefühl empörend ist
c nach doch gestr. wohl
 
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