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Karl Jaspers - E. B. Ashton
546 E. B. Ashton an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, mit dem Stempel 102 Woodhull Road Huntington, L. I., N. Y.
31. Mai 1961
Verehrter Herr Professor Jaspers!
Hoffentlich darf ich Sie wegen der späten Beantwortung Ihres so liebenswürdigen und
verständnisvollen Schreibens vom 28. Februar um Verzeihung bitten und Ihnen noch
jetzt herzlich danken. Ihre Anerkennung verdoppelte meine Freude am amerikani-
schen Erfolg Ihres Buches, von dem - wie Ihnen die Chicago University Press wohl
mitgeteilt hat - schon eine zweite Auflage im Druck ist.1239
Meiner Säumnis lag erstens der Wunsch zugrunde, Ihnen auch über meine Be-
schäftigung mit Ihren anderen Werken zu berichten. Vom Verlag Regnery wissen Sie,
dass ich z.Zt. »Nietzsche und das Christentum« übersetze - und zwar, wie mich Herr
Regnery bat, Ihnen mitzuteilen, ohne jede Auslassung.1240 Ihr neues Vorwort traf so-
eben bei mir ein;1241 das Buch ist bei Regnery für diesen Herbst bereits angekündigt.
Noch nicht ganz geregelt ist das grosse Projekt Ihrer »Philosophie« bei der University
of Nebraska Press,1242 das jetzt aber auch vor der Klärung zu stehen scheint.
Der zweite Grund, warum ich nicht früher schrieb, war allgemeiner Art. Sie haben
recht: ich hatte auf »Die Zukunft des Menschen« viel Arbeit verwendet - und zwar,
wie ich gestehe, nicht nur aus beruflicher Gewissenhaftigkeit. Ihr Buch lag mir am
Herzen, weil ich mit vielen Leuten auf eine vielleicht bevorstehende, wenigstens an-
nähernde Verwirklichung der von Ihnen so klar umrissenen Idee des vernünftigen
Staatsmanns hoffte.1243 Ihr Brief traf hier gerade vor dem kartenhausartigen Zusam-
menbruch dieser Hoffnung ein, und so warf ich meine schon geschriebene Antwort
weg und brachte bis jetzt keine neue zu Stande.
Das Schlimmste scheint, dass hierzulande weder in Regierungskreisen noch im
Volk die wirkliche Konsequenz des kubanischen Fiaskos wahrgenommen wird: dass
nämlich das in aller Welt ersehnte und schon so rasch und vielversprechend gestie-
gene Vertrauen in die Vernunft und Wahrhaftigkeit Amerikas vielleicht unwieder-
bringlich verscherzt worden ist. Es wäre mir eine besondere Freude, von Ihnen, ver-
ehrter Herr Professor, zu hören, wie Sie von der europäischen und philosophischen
Warte aus die Ereignisse des letzten Vierteljahres beurteilen.
In aufrichtiger Bewunderung
Ihr
E. B. Ashton
Karl Jaspers - E. B. Ashton
546 E. B. Ashton an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, mit dem Stempel 102 Woodhull Road Huntington, L. I., N. Y.
31. Mai 1961
Verehrter Herr Professor Jaspers!
Hoffentlich darf ich Sie wegen der späten Beantwortung Ihres so liebenswürdigen und
verständnisvollen Schreibens vom 28. Februar um Verzeihung bitten und Ihnen noch
jetzt herzlich danken. Ihre Anerkennung verdoppelte meine Freude am amerikani-
schen Erfolg Ihres Buches, von dem - wie Ihnen die Chicago University Press wohl
mitgeteilt hat - schon eine zweite Auflage im Druck ist.1239
Meiner Säumnis lag erstens der Wunsch zugrunde, Ihnen auch über meine Be-
schäftigung mit Ihren anderen Werken zu berichten. Vom Verlag Regnery wissen Sie,
dass ich z.Zt. »Nietzsche und das Christentum« übersetze - und zwar, wie mich Herr
Regnery bat, Ihnen mitzuteilen, ohne jede Auslassung.1240 Ihr neues Vorwort traf so-
eben bei mir ein;1241 das Buch ist bei Regnery für diesen Herbst bereits angekündigt.
Noch nicht ganz geregelt ist das grosse Projekt Ihrer »Philosophie« bei der University
of Nebraska Press,1242 das jetzt aber auch vor der Klärung zu stehen scheint.
Der zweite Grund, warum ich nicht früher schrieb, war allgemeiner Art. Sie haben
recht: ich hatte auf »Die Zukunft des Menschen« viel Arbeit verwendet - und zwar,
wie ich gestehe, nicht nur aus beruflicher Gewissenhaftigkeit. Ihr Buch lag mir am
Herzen, weil ich mit vielen Leuten auf eine vielleicht bevorstehende, wenigstens an-
nähernde Verwirklichung der von Ihnen so klar umrissenen Idee des vernünftigen
Staatsmanns hoffte.1243 Ihr Brief traf hier gerade vor dem kartenhausartigen Zusam-
menbruch dieser Hoffnung ein, und so warf ich meine schon geschriebene Antwort
weg und brachte bis jetzt keine neue zu Stande.
Das Schlimmste scheint, dass hierzulande weder in Regierungskreisen noch im
Volk die wirkliche Konsequenz des kubanischen Fiaskos wahrgenommen wird: dass
nämlich das in aller Welt ersehnte und schon so rasch und vielversprechend gestie-
gene Vertrauen in die Vernunft und Wahrhaftigkeit Amerikas vielleicht unwieder-
bringlich verscherzt worden ist. Es wäre mir eine besondere Freude, von Ihnen, ver-
ehrter Herr Professor, zu hören, wie Sie von der europäischen und philosophischen
Warte aus die Ereignisse des letzten Vierteljahres beurteilen.
In aufrichtiger Bewunderung
Ihr
E. B. Ashton