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Karl Jaspers - E. B. Ashton
vollenden. Wäre der gewaltsame Schutz gegen die gewaltsame Enteignung gelungen,
so wäre die These: Schutz des privaten Eigentums ist international berechtigt, viel-
leicht gewachsen. Aber das alles sind Dinge im Übergang des gegenwärtigen Augen-
blicks, sie sind nicht an sich zu beurteilen, sondern für heute. Das Halbe, der Mangel
an Opferbereitschaft der westlichen Unternehmungen, hat zur Folge, dass die Tota-
litären sich jede, auch die schändlichsten Gewaltakte (Tibet, Ungarn u.a.) ungestraft
gestatten dürfen und damit nur den Respekt vor sich erhöhen, während der Westen
durch Unklarheit und Anwendung halber Gewalt an Respekt verliert.1246 Die Wahr-
haftigkeit in der Brutalität seitens des Ostens überwindet die Verlogenheit der halben
Gewalt. Ich hoffe, dass das anders wird. Kennedy wird hoffentlich jede Gewalt ver-
meiden können, wenn er so vorbereitet ist und die andern das wissen, dass im Falle
einer Gewaltanwendung diese ohne Einschränkung stattfindet. Wenn die Welt sich
davon überzeugen würde, wäre viel erreicht. Dass sie nun das Gegenteil glaubt, ist das
Schlimme; aber was schreibe ich da alles. Sie wissen es ja selbst. Ich will die Hoffnung
nicht aufgeben, solange nicht alles zu Ende ist.
Aus Ihrem Brief erfahre ich, dass das Unternehmen der University of Nebraska
Press nicht aufgegeben ist und dass Sie sogar als Übersetzer diese Sache verwirklichen
wollen. Beides ist mir ganz neu. Es wäre grossartig für meine »Philosophie«, wenn
das zustande käme. Ich habe so lange nichts mehr gehört, dass ich dachte, die Sache
sei stillschweigend, ohne mich zu benachrichtigen, begraben worden. Damals ist ein
Professor Keller als Übersetzer genannt worden, der durch sein Verhalten keinen gu-
ten Eindruck machte.1247
Ich wünsche Ihnen alles Gute. Lassen Sie, wenn Sie mögen, wieder ein Wort von
sich hören.
Herzlich grüsst Sie
Ihr
548 E. B. Ashton an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, mit dem Stempel 102 Woodhull Road Huntington, L. I., N. Y.
11. Juli 1961
Verehrter Herr Professor Jaspers!
Besten Dank für Ihr Schreiben vom 5. Juli, das gerade zur Ablieferung meiner Über-
setzung von »Nietzsche und das Christentum« eintraf.1248 Die kleine Arbeit ist, glaube
ich, gut gelungen und ich wollte Ihnen bei dieser Gelegenheit ohnehin mitteilen, was
ich über den Stand Ihrer »Philosophie« bei der University of Nebraska weiss.
Nebraska war im Januar wegen der Übersetzung an mich herangetreten. Wir ei-
nigten uns über die Bedingungen; erst später erfuhr ich, dass die Finanzierung des
Karl Jaspers - E. B. Ashton
vollenden. Wäre der gewaltsame Schutz gegen die gewaltsame Enteignung gelungen,
so wäre die These: Schutz des privaten Eigentums ist international berechtigt, viel-
leicht gewachsen. Aber das alles sind Dinge im Übergang des gegenwärtigen Augen-
blicks, sie sind nicht an sich zu beurteilen, sondern für heute. Das Halbe, der Mangel
an Opferbereitschaft der westlichen Unternehmungen, hat zur Folge, dass die Tota-
litären sich jede, auch die schändlichsten Gewaltakte (Tibet, Ungarn u.a.) ungestraft
gestatten dürfen und damit nur den Respekt vor sich erhöhen, während der Westen
durch Unklarheit und Anwendung halber Gewalt an Respekt verliert.1246 Die Wahr-
haftigkeit in der Brutalität seitens des Ostens überwindet die Verlogenheit der halben
Gewalt. Ich hoffe, dass das anders wird. Kennedy wird hoffentlich jede Gewalt ver-
meiden können, wenn er so vorbereitet ist und die andern das wissen, dass im Falle
einer Gewaltanwendung diese ohne Einschränkung stattfindet. Wenn die Welt sich
davon überzeugen würde, wäre viel erreicht. Dass sie nun das Gegenteil glaubt, ist das
Schlimme; aber was schreibe ich da alles. Sie wissen es ja selbst. Ich will die Hoffnung
nicht aufgeben, solange nicht alles zu Ende ist.
Aus Ihrem Brief erfahre ich, dass das Unternehmen der University of Nebraska
Press nicht aufgegeben ist und dass Sie sogar als Übersetzer diese Sache verwirklichen
wollen. Beides ist mir ganz neu. Es wäre grossartig für meine »Philosophie«, wenn
das zustande käme. Ich habe so lange nichts mehr gehört, dass ich dachte, die Sache
sei stillschweigend, ohne mich zu benachrichtigen, begraben worden. Damals ist ein
Professor Keller als Übersetzer genannt worden, der durch sein Verhalten keinen gu-
ten Eindruck machte.1247
Ich wünsche Ihnen alles Gute. Lassen Sie, wenn Sie mögen, wieder ein Wort von
sich hören.
Herzlich grüsst Sie
Ihr
548 E. B. Ashton an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, mit dem Stempel 102 Woodhull Road Huntington, L. I., N. Y.
11. Juli 1961
Verehrter Herr Professor Jaspers!
Besten Dank für Ihr Schreiben vom 5. Juli, das gerade zur Ablieferung meiner Über-
setzung von »Nietzsche und das Christentum« eintraf.1248 Die kleine Arbeit ist, glaube
ich, gut gelungen und ich wollte Ihnen bei dieser Gelegenheit ohnehin mitteilen, was
ich über den Stand Ihrer »Philosophie« bei der University of Nebraska weiss.
Nebraska war im Januar wegen der Übersetzung an mich herangetreten. Wir ei-
nigten uns über die Bedingungen; erst später erfuhr ich, dass die Finanzierung des