Karl Jaspers - E. B. Ashton
543
561E. B. Ashton an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers; mit dem Stempel 102 Woodhull Road Huntington, L. I., N. Y.
1. Dezember 1966
Verehrter Herr Professor,
verzeihen Sie bitte den späten Dank für Ihr Schreiben vom n. n. und die beiden Kapi-
tel aus Ihrem neuen Buch, über deren Einbau in die Übersetzung ich schon mit Han-
nah Arendt gesprochen habe. Wir sind uns darüber einig, dass das Amerika-Kapitel
vollständig eingefügt werden soll und nur kleine Striche auf den deutschen S. 246-
48 erfordert.1279
Über China möchten wir nur einige der prägnantesten Stellen übernehmen. Der
Vorwurf mangelnder Sympathie für die chinesische Geisteswelt, gegen den Sie sich
wenden, fällt hierzulande weg; Ihre Antwort würde nur zu der verständnislosen Frage
führen, was das mit der Bundesrepublik zu tun habe. An dem ganzen Komplex scheint
uns nur eines wesentlich: dass man Ihre Sätze nicht aus dem Zusammenhang reissen
und als Argumente für sofortige Ausdehnung der amerikanischen Bombardements
auf China benützen kann.
Dagegen möchte ich Ihnen heute noch eine andere Frage vorlegen, die sich uns auf-
gedrängt hat: die der jüngsten Ereignisse in der Bundesrepublik selbst. Wäre es Ihnen
möglich, sich für das amerikanische Buch noch ganz kurz, auf etwa 3-4 Schreibma-
schinenseiten, dazu zu äussern?1280
Vieles von dem, was Sie vor einem Jahre schrieben, wie über die Gefahren der gros-
sen Koalition und des Aufstiegs früherer Nazis in die Führung der Parteienoligarchie,
hat sich ja nun bewahrheitet - und eben darum sollte ein 1967 erscheinendes Buch
nicht nur prophetisch sein. Der Name Adenauer ist hier schon halb vergessen; ein
Buch, in dem Kiesinger nicht zumindest in einem Nachwort steht, könnte überholt
wirken.1281 Auch die einzige Ihrer Thesen, die von der Entwicklung widerlegt zu wer-
den droht (dass keine neue Partei sich mehr durchsetzen könnex), mag einer Korrek-
tur bedürfen - nicht so sehr wegen ihrer etwaigen Irrigkeit, die ja noch dahinsteht,
als wegen der möglichen Interpretation als Befürwortung der NPD.
Ihr deutscher Anhang über die September-Wahlen 1965 wird hier, bis auf die letz-
ten Seiten, ohnehin entfallen müssen - aber eine entsprechende, kürzere »Augen-
blicks-Perspektive« vom Dezember 1966 würde die Wirkung zweifellos ausseror-
dentlich erhöhen.1282 Auch wäre jedes Wort, mit dem Sie vielleicht anderwärts, im
Rundfunk oder in der Presse, zu der neuen Situation Stellung nehmen, bestimmt als
Nachtrag geeignet, ohne Ihnen neue Arbeit zu machen.
Frau Hannah bat mich, auszurichten, dass Sie Ihnen selbst noch schreiben wird,1283
sobald ihre augenblickliche Arbeitsüberlastung ein wenig abnimmt. Was meine Ar-
beit betrifft, so wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich baldmöglichst - viel-
543
561E. B. Ashton an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers; mit dem Stempel 102 Woodhull Road Huntington, L. I., N. Y.
1. Dezember 1966
Verehrter Herr Professor,
verzeihen Sie bitte den späten Dank für Ihr Schreiben vom n. n. und die beiden Kapi-
tel aus Ihrem neuen Buch, über deren Einbau in die Übersetzung ich schon mit Han-
nah Arendt gesprochen habe. Wir sind uns darüber einig, dass das Amerika-Kapitel
vollständig eingefügt werden soll und nur kleine Striche auf den deutschen S. 246-
48 erfordert.1279
Über China möchten wir nur einige der prägnantesten Stellen übernehmen. Der
Vorwurf mangelnder Sympathie für die chinesische Geisteswelt, gegen den Sie sich
wenden, fällt hierzulande weg; Ihre Antwort würde nur zu der verständnislosen Frage
führen, was das mit der Bundesrepublik zu tun habe. An dem ganzen Komplex scheint
uns nur eines wesentlich: dass man Ihre Sätze nicht aus dem Zusammenhang reissen
und als Argumente für sofortige Ausdehnung der amerikanischen Bombardements
auf China benützen kann.
Dagegen möchte ich Ihnen heute noch eine andere Frage vorlegen, die sich uns auf-
gedrängt hat: die der jüngsten Ereignisse in der Bundesrepublik selbst. Wäre es Ihnen
möglich, sich für das amerikanische Buch noch ganz kurz, auf etwa 3-4 Schreibma-
schinenseiten, dazu zu äussern?1280
Vieles von dem, was Sie vor einem Jahre schrieben, wie über die Gefahren der gros-
sen Koalition und des Aufstiegs früherer Nazis in die Führung der Parteienoligarchie,
hat sich ja nun bewahrheitet - und eben darum sollte ein 1967 erscheinendes Buch
nicht nur prophetisch sein. Der Name Adenauer ist hier schon halb vergessen; ein
Buch, in dem Kiesinger nicht zumindest in einem Nachwort steht, könnte überholt
wirken.1281 Auch die einzige Ihrer Thesen, die von der Entwicklung widerlegt zu wer-
den droht (dass keine neue Partei sich mehr durchsetzen könnex), mag einer Korrek-
tur bedürfen - nicht so sehr wegen ihrer etwaigen Irrigkeit, die ja noch dahinsteht,
als wegen der möglichen Interpretation als Befürwortung der NPD.
Ihr deutscher Anhang über die September-Wahlen 1965 wird hier, bis auf die letz-
ten Seiten, ohnehin entfallen müssen - aber eine entsprechende, kürzere »Augen-
blicks-Perspektive« vom Dezember 1966 würde die Wirkung zweifellos ausseror-
dentlich erhöhen.1282 Auch wäre jedes Wort, mit dem Sie vielleicht anderwärts, im
Rundfunk oder in der Presse, zu der neuen Situation Stellung nehmen, bestimmt als
Nachtrag geeignet, ohne Ihnen neue Arbeit zu machen.
Frau Hannah bat mich, auszurichten, dass Sie Ihnen selbst noch schreiben wird,1283
sobald ihre augenblickliche Arbeitsüberlastung ein wenig abnimmt. Was meine Ar-
beit betrifft, so wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich baldmöglichst - viel-