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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0728
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Karl Jaspers - Re Soupault

611

624 Re Soupault an Karl Jaspers
Manuskript; DLA, A: Jaspers
21. 2. 58
Lieber Herr Professor,
hier sind die bisher erschienenen Besprechungen - sehr wenig und sehr unbedeutend.
Bevor ich kommenden Mittwoch nach Basel abreise, werde ich noch einmal nachfra-
gen, ob etwas Lesenswertes erschienen ist.
Ich war Ihnen immer noch eine Antwort schuldig, die Korrekturen meiner Über-
setzung von J. Hersch betreffend. Dass ich mit einigen Ausdrücken, die J. H. verän-
dert hatte, nicht einverstanden sein konnte, sagte ich Ihnen damals am Telephon. Im
übrigen waren es stilistische Korrekturen, bei denen Soupault das letzte Wort haben
musste; er hat aber nichts getan - wahrscheinlich war er desinteressiert, weil er ge-
merkt hatte, dass er in ein »fremdes Jagdgebiet« eingedrungen war. Die Art, wie man
seinen Namen fortgelassen hat (indem mir einfach keine Zeit für Korrekturen gelassen
wurde), bestätigt die Richtigkeit dieses Eindrucks.1467 Jeanne Hersch ist überzeugt, dass
sie allein fähig sei, Sie zu übersetzen. Es ist gut, von der Vortrefflichkeit seiner eigenen
Arbeit überzeugt zu sein - ich bin es auch, wenn ich ins Deutsche übersetze. Und doch
ist gerade bei Übersetzungen alles relativ. Ich glaube, es war Claudel, der den Versuch
gemacht hat, konsequent wörtlich zu übersetzen (aus dem Englischen ins Französi-
sche),1468 was natürlich dem Verständnis des Textes in der übersetzten Sprache nicht
von Nutzen ist. Aber es ist ein Standpunkt. Das andere Extrem - wenn man so sagen
kann - ist, den Gedanken gewissermassen bloss zu legen und ihn in der fremden Spra-
che ganz neu zu formulieren. Das mag manchmal angebracht sein, aber nicht immer.
Dies ist J. H.’s Art, Sie zu übersetzen. Sie haben aber einen Stil, der von dem Gedanken
nicht zu trennen ist, und darum glaube ich, dass immer etwas Gewisses, was sehr we-
sentlich ist, bei der Übersetzung verloren gehen muss. Es wird von Ihnen kaum je eine
wirklich gute Übersetzung ins Französische geben - nur mehr oder weniger schlechte.
Gerard de Nerval hat Goethes Faust ins Französische übersetzt:1469 die Übersetzung ist
voller Fehler, und doch ist sie nie übertroffen worden, weil Goethes Geist darin leben-
dig ist. Dies ist vielleicht die dritte Art der Übersetzung: die Nachschöpfung. Aber sie
ist die seltenste, weil der Übersetzer Genie haben muss. Alles in allem: was eine gute
Übersetzung ist, lässt sich nicht verallgemeinern.
Zu Ihrem Geburtstag wünsche ich Ihnen alles Gute und hoffe, Sie bald am Tele-
phon zu hören.
Mit herzlichen Grüssen Ihre Re Soupault
 
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