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Stellenkommentar
sehe Literatur und Kunst«. Das Ehepaar Jaspers hatte Bedenken, Gertrud schrieb an die
Eltern: »wahrscheinlich lehnt er [Kally] es ab. Es hat für ihn nach unseren Erfahrungen we-
nig Sinn, dazu muss man gesund sein. So ist es besser, seiner Arbeit auf lange Sicht zu leben.
Seine Kategorie braucht sogar keine Erlaubnis der Behörde zu solchem Vortrag.« (G. Jaspers
an H. u. K. Jaspers senior, 25. März 1938, DLA, A: Jaspers). Auch zwei Wochen später änderte
sich nichts: »ich denke, es wird nichts werden, Kally würde für 2 Vorträge an verschiedenen
Instituten je 100 Frc. bekommen. Vielleicht wäre es eine Freude, mal andere Menschen u.
Genf zu sehen, aber Kally hat keine Schauspielbegabung u. ist innerlich schüchtern, bis er
den Kontakt mit d. Zuhörern hat, u. deshalb sind einmalige Vorträge für ihn nichts.« (G.
Jaspers an H. u. K. Jaspers senior, 5. April 1938, ebd.). Doch Jaspers selbst behielt diese Op-
tion weiterhin im Auge. Sein Vortrag am 12. Mai 1938 in Hannover über »Nietzsche und
das Christentum« sollte ihm »eine Probe sein für die eventuellen Genfer Vorlesungen im
nächsten Winter« (vgl. K. Jaspers an E. Dugend, 15. April 1938, ebd.). - Die Genehmigung
des Reichserziehungsministeriums erfolgte per Schnellbrief am 19. Januar 1939 (UAH, PA
4369); aus ihr lässt sich entnehmen, dass der Vortrag für Anfang Februar vereinbart war.
Doch Jaspers hat ihn »aus politischen Gründen«, d.h. vornehmlich wegen Gertruds Aus-
reiseverbot, abgesagt. Vgl. H. Stubbe-da Luz: »Die Ausgießung des Europäischen Geistes*
- Karl Jaspers bei den Rencontres in Genf«, in: Dokumente 37 (1981) 247-260, hier: 259.
1501 Jaspers wurde am 14. Januar 1941 vom Kuratorium der Freien Akademischen Stiftung Ba-
sel über die Öffentliche Bibliothek der Universität Basel zu zweijährigen Gastvorlesungen
eingeladen (vgl. UAH, PA 4369). Nachdem er Dekan Schmidthenner um Unterstützung
gebeten hatte (vgl. K. Jaspers an P. Schmitthenner, 23. Januar 1941, in: K. Jaspers: Korres-
pondenzen Politik Universität, 544), beantragte Jaspers am 20. Februar 1941 über den Rektor
der Heidelberger Universität beim Reichserziehungsministerium die Genehmigung jener
Gastvorlesungen (vgl. UAH, PA 4369) und nannte auch die geplanten Vorlesungsinhalte
(philosophische Logik, systematische Philosophie, Interpretation von Platon, Kant, He-
gel, Kierkegaard und Nietzsche). Die Ablehnung des Reichserziehungsministeriums unter
Berufung auf einen Wunsch des Auswärtigen Amtes erfolgte am 24. Mai 1941 wiederum
über den Heidelberger Rektor (vgl. K. Jaspers: Korrespondenzen Politik Universität, 544). Als
das Auswärtige Amt ihm einen Monat später die Gastvorlesungen doch genehmigte un-
ter der Bedingung, dass Gertrud die Ausreise verweigert wird, lehnte Jaspers ab (vgl. H. Sa-
ner: Karl Jaspers, Reinbek I32oi4, 47).
1502 Über die Option, den beigefügten Vordruck auszufüllen und einen solchen Antrag zu stel-
len, und zur Kontroverse um ein von der Reichsschrifttumskammer verhängtes dezidier-
tes Publikationsverbot vgl. Einleitung, LXXX-LXXXII.
Stellenkommentar
sehe Literatur und Kunst«. Das Ehepaar Jaspers hatte Bedenken, Gertrud schrieb an die
Eltern: »wahrscheinlich lehnt er [Kally] es ab. Es hat für ihn nach unseren Erfahrungen we-
nig Sinn, dazu muss man gesund sein. So ist es besser, seiner Arbeit auf lange Sicht zu leben.
Seine Kategorie braucht sogar keine Erlaubnis der Behörde zu solchem Vortrag.« (G. Jaspers
an H. u. K. Jaspers senior, 25. März 1938, DLA, A: Jaspers). Auch zwei Wochen später änderte
sich nichts: »ich denke, es wird nichts werden, Kally würde für 2 Vorträge an verschiedenen
Instituten je 100 Frc. bekommen. Vielleicht wäre es eine Freude, mal andere Menschen u.
Genf zu sehen, aber Kally hat keine Schauspielbegabung u. ist innerlich schüchtern, bis er
den Kontakt mit d. Zuhörern hat, u. deshalb sind einmalige Vorträge für ihn nichts.« (G.
Jaspers an H. u. K. Jaspers senior, 5. April 1938, ebd.). Doch Jaspers selbst behielt diese Op-
tion weiterhin im Auge. Sein Vortrag am 12. Mai 1938 in Hannover über »Nietzsche und
das Christentum« sollte ihm »eine Probe sein für die eventuellen Genfer Vorlesungen im
nächsten Winter« (vgl. K. Jaspers an E. Dugend, 15. April 1938, ebd.). - Die Genehmigung
des Reichserziehungsministeriums erfolgte per Schnellbrief am 19. Januar 1939 (UAH, PA
4369); aus ihr lässt sich entnehmen, dass der Vortrag für Anfang Februar vereinbart war.
Doch Jaspers hat ihn »aus politischen Gründen«, d.h. vornehmlich wegen Gertruds Aus-
reiseverbot, abgesagt. Vgl. H. Stubbe-da Luz: »Die Ausgießung des Europäischen Geistes*
- Karl Jaspers bei den Rencontres in Genf«, in: Dokumente 37 (1981) 247-260, hier: 259.
1501 Jaspers wurde am 14. Januar 1941 vom Kuratorium der Freien Akademischen Stiftung Ba-
sel über die Öffentliche Bibliothek der Universität Basel zu zweijährigen Gastvorlesungen
eingeladen (vgl. UAH, PA 4369). Nachdem er Dekan Schmidthenner um Unterstützung
gebeten hatte (vgl. K. Jaspers an P. Schmitthenner, 23. Januar 1941, in: K. Jaspers: Korres-
pondenzen Politik Universität, 544), beantragte Jaspers am 20. Februar 1941 über den Rektor
der Heidelberger Universität beim Reichserziehungsministerium die Genehmigung jener
Gastvorlesungen (vgl. UAH, PA 4369) und nannte auch die geplanten Vorlesungsinhalte
(philosophische Logik, systematische Philosophie, Interpretation von Platon, Kant, He-
gel, Kierkegaard und Nietzsche). Die Ablehnung des Reichserziehungsministeriums unter
Berufung auf einen Wunsch des Auswärtigen Amtes erfolgte am 24. Mai 1941 wiederum
über den Heidelberger Rektor (vgl. K. Jaspers: Korrespondenzen Politik Universität, 544). Als
das Auswärtige Amt ihm einen Monat später die Gastvorlesungen doch genehmigte un-
ter der Bedingung, dass Gertrud die Ausreise verweigert wird, lehnte Jaspers ab (vgl. H. Sa-
ner: Karl Jaspers, Reinbek I32oi4, 47).
1502 Über die Option, den beigefügten Vordruck auszufüllen und einen solchen Antrag zu stel-
len, und zur Kontroverse um ein von der Reichsschrifttumskammer verhängtes dezidier-
tes Publikationsverbot vgl. Einleitung, LXXX-LXXXII.