566 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
für meine Gesundheit gehabt hat. In allen Augenblicken, wo ich am Ungeheu-
ren meines Schicksals leide, sprang mir etwas Äußerstes von Indecenz ins
Gesicht. Diese Erfahrung dauert nunmehr sieben Jahre; als ich mit der
Umwerthung der Werthe fertig war, wußte ich, daß sie nicht ausbleiben
würde." (W II 10, 177, KSA 14, 499).
N.s Briefe an Meta von Salis, 29. 12. 1888 (KSB 8, Nr. 1223, S. 561) und an
Overbeck von Weihnachten 1888 erlauben eine biographische Einordnung der
gestrichenen Passagen: Seine Schwester habe geruht, ihm „zum 15. Oktober
mit äußerstem Hohne zu schreiben, ich wolle wohl auch anfangen ,berühmt'
zu werden. Das sei freilich eine süße Sache! und was für Gesindel ich mir
ausgesucht hätte, Juden, die an allen Töpfen geleckt hätten wie Georg Bran-
des... Dabei nennt sie mich ,Herzensfritz'... Dies dauert nun 7 Jahre!" (KSB 8,
Nr. 1210, S. 549, Z. 9-14) Die Änderung in EH Za 5 erklärt sich im Zusammen-
hang mit der neuen Fassung von EH Warum ich so weise bin 3 (vgl. NK 268,
8-16 sowie KSA 14, 472-474 und 460-462).
342, 29 ätiologischer] Abgeleitet aus dem Griechischen: „im Blick auf die Ursa-
che", bei N. nur hier belegt. Die medizinische Disziplin der Ätiologie hat die
Ursachen von Krankheiten zum Gegenstand.
342, 29-32 In einem solchen Zustande empfand ich einmal die Nähe einer Kuh-
heerde, durch Wiederkehr milderer, menschenfreundlicherer Gedanken, noch
bevor ich sie sah: das hat Wärme in sich...] Vgl. NL 1888, KSA 13, 19[1], 542
und 19[7], 545. Weniger mild und menschenfreundlich gedenkt N. der tieri-
schen Wärme, wenn es um „,Deutsche Jünglinge' und anderes schwärmeri-
sches Hornvieh" geht, die er als „kuhwarme Milchherzen" verachtet (NL 1886/
87, 5[48], KSA 12, 201, korrigiert nach KGW IX 3, N VII 3, 136, 24-28; vgl. NL
1887/88, ll[40], KSA 13, 21 = KGW IX 7, W II 3, 182, 36).
Nach Puschmann 1983, 63 und Pütz 1987, 77 handelt es sich um eine Remi-
niszenz an N., wenn Thomas Mann in seinem „Nietzsche-Roman" (zu diesem
Ausdruck vgl. Mann 2009a, 19.1, 432) Doktor Faustus den Komponisten Adrian
Leverkühn mit den folgenden Worten die Klangsinnlichkeit der Musik in
Gegensatz zur mathematischen Strenge ihrer Form setzen lässt: „Das Gesetz,
jedes Gesetz, wirkt erkältend, und die Musik hat soviel Eigenwärme, Stall-
wärme, Kuhwärme, möchte ich sagen, daß sie allerlei gesetzliche Abkühlung
brauchen kann" (Mann 2007, 10.1, 104). Während N. in seinem Leidenszustand
die Nähe einer Kuhherde als wohltuend empfunden haben will, intendiert
Leverkühn die Abkühlung der klanglichen Wärme der Musik durch gesetzmä-
ßige Formung. Dabei verschmilzt Mann laut Puschmann 1983, 63 die EH-Stelle
342, 29-32 mit einer Äußerung Adornos über Schönberg, der sich „gegen die
animalische Wärme der Musik" (Adorno 1975, 12, 113) ausgesprochen habe. Im
für meine Gesundheit gehabt hat. In allen Augenblicken, wo ich am Ungeheu-
ren meines Schicksals leide, sprang mir etwas Äußerstes von Indecenz ins
Gesicht. Diese Erfahrung dauert nunmehr sieben Jahre; als ich mit der
Umwerthung der Werthe fertig war, wußte ich, daß sie nicht ausbleiben
würde." (W II 10, 177, KSA 14, 499).
N.s Briefe an Meta von Salis, 29. 12. 1888 (KSB 8, Nr. 1223, S. 561) und an
Overbeck von Weihnachten 1888 erlauben eine biographische Einordnung der
gestrichenen Passagen: Seine Schwester habe geruht, ihm „zum 15. Oktober
mit äußerstem Hohne zu schreiben, ich wolle wohl auch anfangen ,berühmt'
zu werden. Das sei freilich eine süße Sache! und was für Gesindel ich mir
ausgesucht hätte, Juden, die an allen Töpfen geleckt hätten wie Georg Bran-
des... Dabei nennt sie mich ,Herzensfritz'... Dies dauert nun 7 Jahre!" (KSB 8,
Nr. 1210, S. 549, Z. 9-14) Die Änderung in EH Za 5 erklärt sich im Zusammen-
hang mit der neuen Fassung von EH Warum ich so weise bin 3 (vgl. NK 268,
8-16 sowie KSA 14, 472-474 und 460-462).
342, 29 ätiologischer] Abgeleitet aus dem Griechischen: „im Blick auf die Ursa-
che", bei N. nur hier belegt. Die medizinische Disziplin der Ätiologie hat die
Ursachen von Krankheiten zum Gegenstand.
342, 29-32 In einem solchen Zustande empfand ich einmal die Nähe einer Kuh-
heerde, durch Wiederkehr milderer, menschenfreundlicherer Gedanken, noch
bevor ich sie sah: das hat Wärme in sich...] Vgl. NL 1888, KSA 13, 19[1], 542
und 19[7], 545. Weniger mild und menschenfreundlich gedenkt N. der tieri-
schen Wärme, wenn es um „,Deutsche Jünglinge' und anderes schwärmeri-
sches Hornvieh" geht, die er als „kuhwarme Milchherzen" verachtet (NL 1886/
87, 5[48], KSA 12, 201, korrigiert nach KGW IX 3, N VII 3, 136, 24-28; vgl. NL
1887/88, ll[40], KSA 13, 21 = KGW IX 7, W II 3, 182, 36).
Nach Puschmann 1983, 63 und Pütz 1987, 77 handelt es sich um eine Remi-
niszenz an N., wenn Thomas Mann in seinem „Nietzsche-Roman" (zu diesem
Ausdruck vgl. Mann 2009a, 19.1, 432) Doktor Faustus den Komponisten Adrian
Leverkühn mit den folgenden Worten die Klangsinnlichkeit der Musik in
Gegensatz zur mathematischen Strenge ihrer Form setzen lässt: „Das Gesetz,
jedes Gesetz, wirkt erkältend, und die Musik hat soviel Eigenwärme, Stall-
wärme, Kuhwärme, möchte ich sagen, daß sie allerlei gesetzliche Abkühlung
brauchen kann" (Mann 2007, 10.1, 104). Während N. in seinem Leidenszustand
die Nähe einer Kuhherde als wohltuend empfunden haben will, intendiert
Leverkühn die Abkühlung der klanglichen Wärme der Musik durch gesetzmä-
ßige Formung. Dabei verschmilzt Mann laut Puschmann 1983, 63 die EH-Stelle
342, 29-32 mit einer Äußerung Adornos über Schönberg, der sich „gegen die
animalische Wärme der Musik" (Adorno 1975, 12, 113) ausgesprochen habe. Im