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Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 3. Abhandlung): Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz ; vorgetragen am 27. Oktober 1990 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48163#0025
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Kunstwerk und Nation

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Napoleon lud Canova ein, in Paris zu bleiben und wies auf die bedeu-
tenden Kunstdenkmäler hin, die sich nunmehr in Paris befänden; den
noch fehlenden Herkules Farnese in Neapel werde man sich noch zu
beschaffen wissen. Canova antwortete: „Lasci Vostra Maestä, lasci al-
meno qualche cosa all’Italia. Questi antichi monumenti formano catena
e collezione con infinti altri ehe non si possono trasportare ne da Roma
ne da Napoli.“63 [Lassen Eure Majestät doch etwas für Italien übrig;
diese antiken Denkmäler bilden eine Kette und eine Sammlung mit un-
zähligen anderen, die man weder aus Rom noch aus Neapel wegtrans-
portieren kann].
Canova mag an diesen Gesprächen, deren Autograph erhalten ist,
manches geschönt haben. Er konnte aber als der erste Künstler seiner
Zeit seine Auffassung frei äußern. Ein Reflex der geradezu hypnoti-
schen Wirkung Canovas auf seine Zeitgenossen liest man in den „Pro-
menades dans Rome“ von Stendhal. Hier finden sich nicht nur die Epi-
theta „unsterblich“ oder „göttlich“,64 wenn Canova erwähnt wird, son-
dern Stendhal träumte auch davon, die Nacht in St. Peter vor dem Keno-
taph der exilierten Stuart-Könige zu verbringen, um Canovas Engeln
nahe zu sein.65 Als nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo die
Entscheidung über die von dem Franzosen nach Paris gebrachten Kunst-
werke fallen sollte, ernannte Papst Pius VII. Canova zum Botschafter
des Kirchenstaates mit dem Auftrag, die römischen Kunstwerke zurück-
zuerhalten.66
XIII. Antonio Canova in Paris (1815) - Die Rückführung
der römischen Kunstwerke
In Paris gelang es Canova, die Rückführung eines Großteils der
Kunstwerke nach Rom und in die anderen Städte des Kirchenstaates
durchzusetzen und selber eigenhändig durchzuführen. Das Beuterecht
63 Zitiert nach Missirini, oben Note 61, S. 244-245.
64 Stendhal, Voyages en Italie, Editions Gallimard 1973, S. 693. Vom „l’inarrivabile Ca-
nova“ spricht Leopoldo Cicognara, Del bello, Pavia 1825 (ursprüngliche Ausgabe
1808), S. 209.
Die Kunst Canovas war allerdings nicht unangefochten; vgl. Carl Ludwig Fernow,
Über den Bildhauer Canova und dessen Werke, in: Römische Studien, Erster Theil,
Zürich 1806, S. 11 ff. Gegenspieler Canovas wurde Thorwaldsen.
65 Vgl. Stendhal, vorige Note, S. 632.
66 Vgl. Antonio d’Este, oben Note 58, S. 198ff.
 
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