3. STRASSBURGER BEDENKEN IN RELIGIONSSACHEN
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Dergleichenn jst auch gar nicht nach zugebenn, das die genanten geistlichen, wie
hoch die gewirdigt vnd gefreihet sein mogen, soltten den oberkeiten der orten, da sie
wohnen vnd deren kirchen gut sie nyessen vnnd diener sein sollenn, entzogen vnnd
jnen jn guten Cristlichen ordenungen zugehorsamen nit schuldig sein.
Dann da stehett das gots wort frey: Ein jede seele solle den oberkeiten vnnd Nem-
lich1 denen, die das schwert tragen, vnderthan sein, Rom. 13[1]. Aber welches des
Hfeiligen] Crys[os]tomus schreibet, der Apostel habe darumb gesagt »ein jede
seele«2, damit man sehe, das er hie nit allein die leuth, so wir »weltlich« nenhnen,
den oberkeiten vnderwerffe, Sonder auch die priester vnnd Monch, die dan auch
seelen haben vnnd lebenn, vnnd saget darauf: »wann due schon ein Apostell, Euan-
gelist oder prophet werest, noch3 soltu den oberkeiten gehorsam, dann diese
vnderthenigkeit die heiligkeit nit zurstoret«4.
Nhun ist es aber offenbar, das die genanten geistlichenn sich allein der vermeinten
geistligkeit halbenn I 20/ I denen oberkeiten an orthen, da sie wohnen, entziehen
wollenn, welches sie aber vnderstehen widder das so helle gots wort, welches dar-
umb nit hat »der oberkeit«, Sonder »den oberkeiten«, das wir sehen, das man nit al-
lein der hohen als die Romisch oberkeit, do der heilig Paulus dis geschriebenn, jnn
der welt whar, sonder auch den vnder oberkeiten allenn, die das schwert tragenn, ge-
horsamen solle ein jeder deren, vnder deren schutz vnd schirm er lebt.
Nit aber allein ist das, das sich vnsere genanten geistlichen also denen ordentlichen
oberkeiten jedes orts entziehen, widder das ausgedruckte wort gots vnnd die lere
der heiligen vedter, Sonder auch widder das naturliche gesetze5 vnnd die waren al-
ten kirchen recht, die wir zwar6 beide jn keiserlichen rechten vnnd den Canonibus
habenn.
Das es wider das naturliche Recht sey, mag ein jeder aus dem wol vernehmen, das
wir jn allen volckern vnd Nationen sehen, das recht vnd billich erkennet vnnd der-
halben in aller volcker gesetzen geordenet worden, das alle die jenigen, so bei einer
gemein wohnen, deren schutz, schirm, feilen marckt vnd andern nutz vnnd kom-
lichheiten7 niessenn sollen, auch vor8 jren theil derselbigen Comun gemeine dinst
vnd steuer leistenn, Also auch den gemeinen gesetzen vnnd guten ordnungen sol-
cher gemeind gehorsam vnnd in keinen weg freiheit haben, an9 forcht der straffe
1. insbesondere.
2. Vgl. oben S. 82, Anm. 10; vgl. auch Seebaß, Martin Bucers Beitrag, S. 168.
3. dennocb.
4. Johannes Chrysostomus, Homilia 23 m Epistolam ad Romanos (PG 60, Sp. 615); vgl. bierzu die
Ausfübrungen m Bucers Römerbnefkommentar, Ausgabe Straßburg 1536 (Bucer-Bibliographie
76), Bl.479a = Ausgabe Basel 1562 (Bucer-Bibliographie 223), S. 559; BDS 9,1, S.49,22-50,3 und
204,1 f.; BOL 15, S. 131; vgl. auch de Kroon, Studien zu Martin Bucers Obrigkeitsverständnis, S. 83 f.
und 162L
5. Ausführhch zu Bucers Verständnis des Naturrechts vgl. Zwierlein, Reformation als Rechtsre-
form, S.41-50; vgl. auch BDS 6,2, S. 113,19-114,17.
6. fürwahr, wahrlich, sicherhch.
7. Vorteile, Bequemhchkeiten.
8. für.
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Dergleichenn jst auch gar nicht nach zugebenn, das die genanten geistlichen, wie
hoch die gewirdigt vnd gefreihet sein mogen, soltten den oberkeiten der orten, da sie
wohnen vnd deren kirchen gut sie nyessen vnnd diener sein sollenn, entzogen vnnd
jnen jn guten Cristlichen ordenungen zugehorsamen nit schuldig sein.
Dann da stehett das gots wort frey: Ein jede seele solle den oberkeiten vnnd Nem-
lich1 denen, die das schwert tragen, vnderthan sein, Rom. 13[1]. Aber welches des
Hfeiligen] Crys[os]tomus schreibet, der Apostel habe darumb gesagt »ein jede
seele«2, damit man sehe, das er hie nit allein die leuth, so wir »weltlich« nenhnen,
den oberkeiten vnderwerffe, Sonder auch die priester vnnd Monch, die dan auch
seelen haben vnnd lebenn, vnnd saget darauf: »wann due schon ein Apostell, Euan-
gelist oder prophet werest, noch3 soltu den oberkeiten gehorsam, dann diese
vnderthenigkeit die heiligkeit nit zurstoret«4.
Nhun ist es aber offenbar, das die genanten geistlichenn sich allein der vermeinten
geistligkeit halbenn I 20/ I denen oberkeiten an orthen, da sie wohnen, entziehen
wollenn, welches sie aber vnderstehen widder das so helle gots wort, welches dar-
umb nit hat »der oberkeit«, Sonder »den oberkeiten«, das wir sehen, das man nit al-
lein der hohen als die Romisch oberkeit, do der heilig Paulus dis geschriebenn, jnn
der welt whar, sonder auch den vnder oberkeiten allenn, die das schwert tragenn, ge-
horsamen solle ein jeder deren, vnder deren schutz vnd schirm er lebt.
Nit aber allein ist das, das sich vnsere genanten geistlichen also denen ordentlichen
oberkeiten jedes orts entziehen, widder das ausgedruckte wort gots vnnd die lere
der heiligen vedter, Sonder auch widder das naturliche gesetze5 vnnd die waren al-
ten kirchen recht, die wir zwar6 beide jn keiserlichen rechten vnnd den Canonibus
habenn.
Das es wider das naturliche Recht sey, mag ein jeder aus dem wol vernehmen, das
wir jn allen volckern vnd Nationen sehen, das recht vnd billich erkennet vnnd der-
halben in aller volcker gesetzen geordenet worden, das alle die jenigen, so bei einer
gemein wohnen, deren schutz, schirm, feilen marckt vnd andern nutz vnnd kom-
lichheiten7 niessenn sollen, auch vor8 jren theil derselbigen Comun gemeine dinst
vnd steuer leistenn, Also auch den gemeinen gesetzen vnnd guten ordnungen sol-
cher gemeind gehorsam vnnd in keinen weg freiheit haben, an9 forcht der straffe
1. insbesondere.
2. Vgl. oben S. 82, Anm. 10; vgl. auch Seebaß, Martin Bucers Beitrag, S. 168.
3. dennocb.
4. Johannes Chrysostomus, Homilia 23 m Epistolam ad Romanos (PG 60, Sp. 615); vgl. bierzu die
Ausfübrungen m Bucers Römerbnefkommentar, Ausgabe Straßburg 1536 (Bucer-Bibliographie
76), Bl.479a = Ausgabe Basel 1562 (Bucer-Bibliographie 223), S. 559; BDS 9,1, S.49,22-50,3 und
204,1 f.; BOL 15, S. 131; vgl. auch de Kroon, Studien zu Martin Bucers Obrigkeitsverständnis, S. 83 f.
und 162L
5. Ausführhch zu Bucers Verständnis des Naturrechts vgl. Zwierlein, Reformation als Rechtsre-
form, S.41-50; vgl. auch BDS 6,2, S. 113,19-114,17.
6. fürwahr, wahrlich, sicherhch.
7. Vorteile, Bequemhchkeiten.
8. für.