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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 12): Schriften zu Kirchengütern und zum Basler Universitätsstreit (1538 - 1545) — Gütersloh, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30233#0227
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7. QUAE ECCLESIAE CHRISTI HABENDAE 223
Apostolen, sonder hernaher von jeder kirchen nach jrer gelegenheit vffkommen vnd
angenomen worden.
Vnd darumb hat Papst Nicolaus1 zum Constantinopolitanischen Keyser Micha-
eln2 3 recht geschribena3: Die heilige römische Kirch weis, das die vnderscheidli-
chen ordnungen vnd gewonheiten, so nach gelegenheit der zeit vnd orten geendert
werden, dem Heil der gleubigen nicht entgegen sind, wa den selbigen die heilige
schrifft nicht zuwider ist*\ Vnd derhalben befalhe auch der Hfeilige] Papst Grego-
rius4 dem frommen Augustino5, den er inn Engelland sandte, die kirchen daselbet
anzurichten, das er fleissig erwelen vnd auslesen solte von allen denen kirchenge-
preuchen, die er als gotgefellig erfinden hettec, es were zu Rom, es were inn den kir-
chen Galliarum, die land wir jetz franckreich nennen oder anderswo, vnd das selbige
dan inn den En- l3zr/zj;l gellendischen kirchen verordnen vnd anrichten, dan es
soltend nicht die ordnungen vnd gepreuch nach den stetten vnd orten, da sie gehal-
ten wurden, sonder die stet vnd ort nach den ordnungen vnd gepreuchen, die an so-
lichen stetten vnd orten inn übung weren, geachtet vnd geliebet werden6.
So hat auch der hfeilige] Augustinus7 von solchen gepreuchen zu halten oder zu
lassen dise regel gegeben8: Aller kirchen gepreuchen halben solle man sehen vff
glaube vnd gute sitten, Dazu dann solche gepreuch allein geordnet werden vnd die-
nen sollen, vnd demnach solche gepreuch zu furderung des glaubens vnd guter sit-
ten dienstlich oder ondienstlich sein, solle man sie besseren vnd an- oder abstellen.
Vnd derhalben was inn den kirchen gepreuchen nit wider den glauben vnd gute sit-
ten ist, das selbige solle man lassen ongeuerlich sein, solichs zu halten oder nit zu
halten, wie das die gemeinschafft deren, bei welchen ein jeder lebet, erforderet9.
Was aber dem glauben vnd guten sitten entgegen ist, das solle man inn alle weg ab-
stellen10, Was man dan schon nicht erfinden mage, das es dem glauben entgegen seie,
ist aber in götlicher schrifft nit begriffen noch inn den Conciliis der bischöffen ver-
ordnet noch durch haltung der allgemeinen kirchen bestetiget, sonder würt nach
dem an iedem ort die leut gesittet inn onzelligem vnderscheid gehalten, also das man
a) davor am linken Rand: Distinct. 12, C. scit sancta.
b) davor am linken Rand: Si illis Canomca non obsistat autoritas. Also heisset man die authoritet
der heiligen schrifft.
c) davor am linken Rand: Distinct. 12, C. Novit.
d) von Bucer über der Zeile nachgetragen für gestr.: weren.
1. Papst Nikolaus I. (858-867).
2. Der byzantinische Kaiser Michael III. (reg. 842-867).
3. Decr. Grat. I, Dist. 12, c. 3 (Friedberg I, Sp. 27h).
4. Vgl. Decr. Grat. I, Dist. 12, c. 10 (Friedberg I, Sp.29).
5. Augustin von Canterbury (gest. um 602-609).
6. Hierzu vgl. auch den Leipziger Reformationsentwurf Bucers (BDS 9,1, S. 43,3—9).
7. Anders als einige Zeilen zuvor (vgl. oben Z. 8 mit Anm. 5) meint Bucer hier natürhch Augustin
von Hippo (354-430).
8. Zum Folgenden vgl. Decr. Grat. I, Dist. 12, c. 11 (Friedberg I, Sp.29f.).
9. Friedberg I, Sp. 29 f.: »quod enim neque contra fidem, neque contra bonos mores esse convin-
citur, indifferenter habendum, et pro eorum, inter quos vivitur, societate servandum est«.
10. Vgl. Decr. Grat. I, Dist. 12, c. 12 (Friedberg I, Sp. 30).
 
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