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IO. GUTACHTEN FUR DEN HAMBURGER RAT
Ob nun dise pflege solle oder möge ein landfurstliche oberkeit uber die Stat ge-
heissen werden, laß ich die iureconsultos erörteren. Es will wol seltzam lauthen, das
die landsfursten gar kein oberkeit uber dise Stat solten haben, weil sie die Stat doch
jre fursten heißet vnd deshalben nit one mittel vnder dem reich1 ist, wie andere frei-
vnd reich stette2. Herwiderumb weil die landsfursten doch re ipsa der Stat nicht-
zet3 weder zugepieten noch zuuerpieten, einige4 dienste oder steur auffzulegen
noch einige jurisdiction inn oder uber sie zu uben haben, so bleibt ja nihil imperii eis
reliquum.
Quam autem hoc firmum esse queat, videndum. Die Stat ist einmal intra fines re-
gni Germanici, quod Carolus Magnus5 Ludovico piog filio suo6, hic Ludovico suo
filio7, regi Germaniae, reliquit. Von welcher nachkommen sie freilich vnder den
Säxischen vnnd anderen Deutschen keyseren vnnd fursten des Deutschen keyser-
thumbs gewesen ist*1, wie dann Albertus Krantz8, Hamburgenfsis] 'Ecclesiae Deca-
nus'9, lib. V cap. 27 auch zeuget10. Nun haben die Landsfursten oder auch die kei-
ser nit macht gehapt, ein sollich glid dem uberigen leib des gemeinen Deutschen
reichs gar onnutz zumachen, I iyjv I das das reich in gemeinem obligen11 nit solte
seine gepurende dienste vnnd steur auch von disser Stat haben, so sie doch noch
vnder der gemeinen jurisdiction des reichs bleibet?12
g) über der Zeile nachgetragen.
h) von Bucer korr. aus: sind.
i) —i) von Bucer vor den linken Rand geschrieben und eingewiesen.
1. sc. reichsunmittelbar.
2. Vgl. hierzu unten S. 522, Anm. 4; vgl. auch Kuhaupt, Veröffentlichte Kirchenpolitik, S. 165.
3. durchaus mchts, ganz und gar mchts.
4. lrgendwelche.
5. Kaiser Karl I. d. Gr., König der Franken von 768 bis 814.
6. Ludwig I. der Fromme, König der Franken von 814 bis 840.
7. Ludwig II. der Deutsche, König des Ostfränkischen Reichs von 840 bis 876.
8. Zum Hamburger Historiker Albert Krantz (geb. 1448, gest. 1517) vgl. oben S.212, Anm. 5.
Bucer bezieht sich auf dessen Werk >Saxonia< (Köln 1520) auch m seinem früheren Gutachten zum
ius reformandi der Reichsstädte (vgl. oben S. 212,6—11). Zu Krantz vgl. auch Dirsch-Weigand, Stadt
und Fürst in der Chronistik des Spätmittelalters, S. 35-42; Müller^ Die spätmittelalterliche Bistums-
geschichtsschreibung, S. 344—349 und 454—459; Andermann, Albert Krantz; Rau, Geschichte und
Konfession.
9. Vgl. hierzu Reincke, Hamburg am Vorabend der Reformation, S. 36.
10. Krantz, Saxonia, Bl. o6b-pib.
11. Anhegen.
12. Vgl. hierzu auch Postel, Obrigkeitsdenken, S. 181.
IO. GUTACHTEN FUR DEN HAMBURGER RAT
Ob nun dise pflege solle oder möge ein landfurstliche oberkeit uber die Stat ge-
heissen werden, laß ich die iureconsultos erörteren. Es will wol seltzam lauthen, das
die landsfursten gar kein oberkeit uber dise Stat solten haben, weil sie die Stat doch
jre fursten heißet vnd deshalben nit one mittel vnder dem reich1 ist, wie andere frei-
vnd reich stette2. Herwiderumb weil die landsfursten doch re ipsa der Stat nicht-
zet3 weder zugepieten noch zuuerpieten, einige4 dienste oder steur auffzulegen
noch einige jurisdiction inn oder uber sie zu uben haben, so bleibt ja nihil imperii eis
reliquum.
Quam autem hoc firmum esse queat, videndum. Die Stat ist einmal intra fines re-
gni Germanici, quod Carolus Magnus5 Ludovico piog filio suo6, hic Ludovico suo
filio7, regi Germaniae, reliquit. Von welcher nachkommen sie freilich vnder den
Säxischen vnnd anderen Deutschen keyseren vnnd fursten des Deutschen keyser-
thumbs gewesen ist*1, wie dann Albertus Krantz8, Hamburgenfsis] 'Ecclesiae Deca-
nus'9, lib. V cap. 27 auch zeuget10. Nun haben die Landsfursten oder auch die kei-
ser nit macht gehapt, ein sollich glid dem uberigen leib des gemeinen Deutschen
reichs gar onnutz zumachen, I iyjv I das das reich in gemeinem obligen11 nit solte
seine gepurende dienste vnnd steur auch von disser Stat haben, so sie doch noch
vnder der gemeinen jurisdiction des reichs bleibet?12
g) über der Zeile nachgetragen.
h) von Bucer korr. aus: sind.
i) —i) von Bucer vor den linken Rand geschrieben und eingewiesen.
1. sc. reichsunmittelbar.
2. Vgl. hierzu unten S. 522, Anm. 4; vgl. auch Kuhaupt, Veröffentlichte Kirchenpolitik, S. 165.
3. durchaus mchts, ganz und gar mchts.
4. lrgendwelche.
5. Kaiser Karl I. d. Gr., König der Franken von 768 bis 814.
6. Ludwig I. der Fromme, König der Franken von 814 bis 840.
7. Ludwig II. der Deutsche, König des Ostfränkischen Reichs von 840 bis 876.
8. Zum Hamburger Historiker Albert Krantz (geb. 1448, gest. 1517) vgl. oben S.212, Anm. 5.
Bucer bezieht sich auf dessen Werk >Saxonia< (Köln 1520) auch m seinem früheren Gutachten zum
ius reformandi der Reichsstädte (vgl. oben S. 212,6—11). Zu Krantz vgl. auch Dirsch-Weigand, Stadt
und Fürst in der Chronistik des Spätmittelalters, S. 35-42; Müller^ Die spätmittelalterliche Bistums-
geschichtsschreibung, S. 344—349 und 454—459; Andermann, Albert Krantz; Rau, Geschichte und
Konfession.
9. Vgl. hierzu Reincke, Hamburg am Vorabend der Reformation, S. 36.
10. Krantz, Saxonia, Bl. o6b-pib.
11. Anhegen.
12. Vgl. hierzu auch Postel, Obrigkeitsdenken, S. 181.