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OBRIGKEITSSCHRIFTEN
du es hast wollen abrichten? Sinnp: Ey, die leüt seind nit hund. Frid: Wäre sehr güt.
Nun, wenn du deine kinder mitt der rüten vom bosen abzeüchst und zum güten anhal-
test, verhoffestu nicht, das du men damit das arg entlich erlaiden506 und das güt an-
mütig machen wollest? Sinnp: Es ist wol mein mainung also, noch solang sy allain der
straff halb das arg lassen und das güt thün, frowet507 es mich noch sehr wenig. 5
Frid: Lieber Sinnprecht, wenn uns nun Gott selb umb unser sünden willen allerlay
straffen züsendet, wille er uns damit vom argen allain abschrecken wider unseren
willen? Oder begeret er uns damit zü züchtigen, das er uns mit der bosen welt nit
verdamme507“? Nämlich so wir durch die straf gewitziget dem | [O 2 b] j argen von
hertzen feind werden und das güt von hertzen lieben, keren uns yetz zü im, der uns 10
schlecht? Wie dann alle frumme kinder thün, wann sy ir vatter gezüchtiget hatt. Ja, die
artigen hündlin — nicht verarg mir, das ich aber508 mit den hunden einher komme -, wie
gelieben sy sich, wie erzaigen sy sich so ergeben, wenn man sy etwar umbgeschlagen
hat? Hart: Von dem, das uns Gottes zucht warlich besseret, bekennet der Prophet
Hieremia im 31. [18]: Du hast mich geßichtiget, und ich hin gegüchtiget wie so man ain unge- 15
wehneten Ochsen abrichtet.
Frid: Was? Alle trübsal, die unser himelischer Vatter den seinen ymmer züschicket,
was sinds anders denn väterliche rüten und züchtigungen, damit er sy zü im ziehen will,
das sy anfahen, von hertzen zü hassen dasjhenig, das sy auß der straff befmden Got,
irem Vater, mißfellig sein, welchs sy on die straff von blossen worten nit vernemen 20
künden. Hart: Von diser straff sagt der Hier. 45 [= 30,11] zü seinem volck: Ich wills
nicht mit dir außmachen, sonder dich nach rechter maß ßichtigen. Dann wenn du schon mainest,
unschuldig gu sein, wurde ich dich doch nit unschuldig halten. Frid: Darvon saget der 118.
Psalm [18]: Du hast mich wol ernstlich geßichtiget, aher nicht gar in tod ergeben.
Was darff es aber vil, auß der erfarnuß haben wir doch, das die straff bey vich und 25
leüten, bey jungen und alten, ja auch bey den allerhailigisten darzü dienet, das man
zületst auch mit hertzen das boß lasset und das güt übet. Die stachel, die der Herr dem
hailigen Paulo in sein flaisch geben hatt, der Engel des Sathans, der in mit feüsten
schlüge, auf das er sich nit erhübe, ware diß nit auch ain herbe zucht? Sinnp: Sy ware ja
nitt gering, weyl der hailig Apostel dreymal darfür gebetten hatt509. 30
Frid: Mainestu aber auch, das im dise zucht nutz sey gewesen darzü, das er sich selb
willig nit überhübe? Sinnp: Darzü hatt im sy der Herr ye verordnet. Frid: So sihestu
nun auch auß diser zucht des so gaistlichen Pauli, das die straf auch darzü dienet, das
die leüt das boß recht willig lassen und sich an das güt von hertzen begeben.
Sinnp: Ich kans nitt widersprechen. Noch sagt der hailig Paulus Ro. 8 [15] zun 35
Christen: Ir haht nit ainen knechtlichen gaist | O 3 a j empfangen, das ir euch aber ainmal
fürchten musset, sonder ir habt ainen kindtlichen gaist empfangen, durch welchen wir schreyen
Abba, lieber vater. Frid: Ist war, Entlich müssen wir ja zü solcher freyhait des gaists
kommen. Das uns aber zü sollicher freywilligkait des gaists nicht fürderen solte, wenn
506. Leid machen, verleiden. Lexer 1, Sp. 649.
507. Frent.
507a. Vgl. 1 Kor 11, 32.
508. Wieder.
5°9- Vgi- zKor 12,7—8.
OBRIGKEITSSCHRIFTEN
du es hast wollen abrichten? Sinnp: Ey, die leüt seind nit hund. Frid: Wäre sehr güt.
Nun, wenn du deine kinder mitt der rüten vom bosen abzeüchst und zum güten anhal-
test, verhoffestu nicht, das du men damit das arg entlich erlaiden506 und das güt an-
mütig machen wollest? Sinnp: Es ist wol mein mainung also, noch solang sy allain der
straff halb das arg lassen und das güt thün, frowet507 es mich noch sehr wenig. 5
Frid: Lieber Sinnprecht, wenn uns nun Gott selb umb unser sünden willen allerlay
straffen züsendet, wille er uns damit vom argen allain abschrecken wider unseren
willen? Oder begeret er uns damit zü züchtigen, das er uns mit der bosen welt nit
verdamme507“? Nämlich so wir durch die straf gewitziget dem | [O 2 b] j argen von
hertzen feind werden und das güt von hertzen lieben, keren uns yetz zü im, der uns 10
schlecht? Wie dann alle frumme kinder thün, wann sy ir vatter gezüchtiget hatt. Ja, die
artigen hündlin — nicht verarg mir, das ich aber508 mit den hunden einher komme -, wie
gelieben sy sich, wie erzaigen sy sich so ergeben, wenn man sy etwar umbgeschlagen
hat? Hart: Von dem, das uns Gottes zucht warlich besseret, bekennet der Prophet
Hieremia im 31. [18]: Du hast mich geßichtiget, und ich hin gegüchtiget wie so man ain unge- 15
wehneten Ochsen abrichtet.
Frid: Was? Alle trübsal, die unser himelischer Vatter den seinen ymmer züschicket,
was sinds anders denn väterliche rüten und züchtigungen, damit er sy zü im ziehen will,
das sy anfahen, von hertzen zü hassen dasjhenig, das sy auß der straff befmden Got,
irem Vater, mißfellig sein, welchs sy on die straff von blossen worten nit vernemen 20
künden. Hart: Von diser straff sagt der Hier. 45 [= 30,11] zü seinem volck: Ich wills
nicht mit dir außmachen, sonder dich nach rechter maß ßichtigen. Dann wenn du schon mainest,
unschuldig gu sein, wurde ich dich doch nit unschuldig halten. Frid: Darvon saget der 118.
Psalm [18]: Du hast mich wol ernstlich geßichtiget, aher nicht gar in tod ergeben.
Was darff es aber vil, auß der erfarnuß haben wir doch, das die straff bey vich und 25
leüten, bey jungen und alten, ja auch bey den allerhailigisten darzü dienet, das man
zületst auch mit hertzen das boß lasset und das güt übet. Die stachel, die der Herr dem
hailigen Paulo in sein flaisch geben hatt, der Engel des Sathans, der in mit feüsten
schlüge, auf das er sich nit erhübe, ware diß nit auch ain herbe zucht? Sinnp: Sy ware ja
nitt gering, weyl der hailig Apostel dreymal darfür gebetten hatt509. 30
Frid: Mainestu aber auch, das im dise zucht nutz sey gewesen darzü, das er sich selb
willig nit überhübe? Sinnp: Darzü hatt im sy der Herr ye verordnet. Frid: So sihestu
nun auch auß diser zucht des so gaistlichen Pauli, das die straf auch darzü dienet, das
die leüt das boß recht willig lassen und sich an das güt von hertzen begeben.
Sinnp: Ich kans nitt widersprechen. Noch sagt der hailig Paulus Ro. 8 [15] zun 35
Christen: Ir haht nit ainen knechtlichen gaist | O 3 a j empfangen, das ir euch aber ainmal
fürchten musset, sonder ir habt ainen kindtlichen gaist empfangen, durch welchen wir schreyen
Abba, lieber vater. Frid: Ist war, Entlich müssen wir ja zü solcher freyhait des gaists
kommen. Das uns aber zü sollicher freywilligkait des gaists nicht fürderen solte, wenn
506. Leid machen, verleiden. Lexer 1, Sp. 649.
507. Frent.
507a. Vgl. 1 Kor 11, 32.
508. Wieder.
5°9- Vgi- zKor 12,7—8.