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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0175
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DIALOGI

171
ren hauffen aller, die die Messen horen. 796 Und so alles singen und lesen zur gemainen
besserung geschehen solte und deßhalb in der sprach, die die gemain verstunde, ge-
schicht es nun, das es auch die nit verstanden noch besserung darbey süchen, die es
üben und der welt so theür verkauffen. Weh, weh, unserer kelte und unachtsamkait
5 gegen den ehren des, der uns gemacht und mit dem blüt seins Suns so theür erkauffet
hatt!
Hart: Mein Fridlieb, wie kommestu in dise klag, solte Sinn- | X 3 a | precht nit
erkennen, 797 das die grewel und lesterung Gottes und unsers Herren Jesu, die sich in
den Bapstlichen Kirchenübungen halten, unaußsprechlich seind und weyt fürtreffen
10 alle die abgottereyen, die ye auf erden kommen seind, weyl im hochsten liecht der
warhait, das ist, bey dem hailigen Evangelio das bitter leyden und sterben unsers
Herren Jesu, durch das wir vom ewigen tod erloset, in iren hochsten Kirchenübungen,
den Messen, auf das jamerlichest verspottet wirt und die leüt, die Christi unsers Herren
sein sollen, gewysen, ir hail bey der pfaffen so verkeretem und gotslesterlichem thün zu
15 süchen? Frid: Lieber Hartmüt, wer waißt nunmehr nicht, das es bey den pfaffen ja alles
aufs erschrocklichest verkeret ist? Wie bedenckt mans aber, so mans ain gotlosen fravel
schelten darff, wann die gotsforchtigen oberen solliche grewel abstellen und will da
von vilen freyhaiten und gerechtigkaiten der gaistlichen einhersagen 798 , so doch ain
yeder, der ire freyhaiten nur liset, selb wol sicht, das sy dem waren Gottesdienst desto
20 fleyssiger obzuligen und zü kainen solchen abgottereyen befreyet seind.
Lieber, wenn, da Gott vorseye 799 , Kai. Maje. hochste diener, ja eytel Fürsten und
Herren wären in ainer Stat oder gebiet und daselbst von Kai. Maje. zum hochsten
befreyet, die aber anfiengen, anderen leüten lre tochteren und weyber zü schenden
offenlich und on scheühe, wurde man inen des auch züsehen? Ja, wurde man nit mehr
25 recht sein lassen, das die Kaiserlichen recht zügeben, das, wer yeman bey seinem weib
und tochteren begreyffet, denselbigen selb entleyben moge? Sinnp: Diß wäre ain
unleydlicher mütwill, und erkennet in auch yederman unleydlich sein. 800 Frid: Ich hore
wol, so ist bey uns Christen das seelschaden und -morden durch den falschen Gotes-
dienst, den die schrift ain gaistlichen Ehbruch nennet 801 , durch den die seel an got
30 ehbrüchig wirt, geringer dann weyber und tochter schenden durch leipliche unzucht?
Anders haltents der hailig Augustinus 802 und die gantze schrifft. Solle dann die Christ-
liche oberkait mit der straf des argen bayten 803 , biß alle verkereten und verfüreten
solche straf billichen, werden wenig laster mehr gestraft werden. O, liebe Gottes von
gantzem hertzen, von gantzer seelen, wa ist j [X 3 b] j dein hitz, dein ernst, dein eyfer?
3 5 Sinnp: Es ist layder die liebe Gottes bey uns allen vil zü kalt. Aber, mein Fridlieb, lesen

796. Der pfaffen singen und lesen. [Marg.].
797. Bepstliche mißbreiiche übertreffen alle abgottereyen, dieye auf erden kommen seind. [Marg.].
798. Buchstäblich: hereinsprechen, gleichsam: argumentieren.
799. Das möge Gott verhüten.
800. Es fehlet an der liebe gottes. [Marg.].
801. Vgl. z. B. Jer 3,8f.
802. Anspielung auf Augustins Brief an Bonifaz: An fidem non seruare leuius est animam deo
quam feminam uiro; CSEL 57, S. 19.
803. Warten.
 
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