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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0068
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Reutlingen

tag, außgenomen sampstag unnd fieraubend, ge-
treulich und ung[efähr]lich von ime gehandlet wer-
den.
Die andern 3 tag, da man um 3 uhrnζ wider in
die schul geet, soll und mag es wie volgt von ime
verhandlet werden: Am montagη soll er uff ain halbe
stund ung[efähr]lich repetiern nächst furgelesen
apologum Aesopi7, die uberige zeit wider ainen an-
dern furlesenb.
Am mitwoch soll er gleichs fals repetirn elemen-
tale grecae linguaeθ.
Am freytag mag er inen gegebne argumenti
emendiern und ain nuwes, volgendte wochen zuver-
tiern, furgeben, alles getrewlichι.
Sampstag: Am sampstag von 6 uhrn biß unglich
uff 8 uhrn mag er inen das volgend sontäglich evan-
gelium expliciern und darnach recitiern und expo-
niernlassenκ Von 8 uhrn bis uff zehne mag er glei-
cher gestalt handlen wie oben mit andern lectioni-
bus in libello Erasmi De civilibus moribusλ8.
Classis inferior, dem provisori bevolhen
Der provisor soll alle morgen von 6 uhrn biß 7 den
Donatum9 repetiern, declinationum und coniugatio-
num paradigmata von den knaben außwendig for-
dernμ. Von sieben biß auff 8 uhrn sol er ain nuwe
lection in dem Donato verständtlich furlesen unnd

ζ 3.
η Montag.
θ Mitwoch.
ι Freytag.
κ 6, 7.
λ 8, 10.
6.
ν 7.
ξ 8.

7 Die Fabeln des Äsop (um 500 v. Chr.) sind seit dem
Mittelalter ein gängiger Lesestoff im Griechischunter-
richt.
8 Erasmus von Rotterdam, ,,De civilitate morum puerili-
um“, 1530. Dieses Werk gehörte zu den ersten für Kinder
gedruckten Zucht- und Betragensbüchern.
9 Siehe oben, Anm. 4.
10 Anfänger.
11 „Der Cato“ bezeichnet seit dem Mittelalter gewöhnlich

erkhundigen, ob es die knaben verstanden habenν.
Von 8 uhrn biß unglich uff zehn uhrn soll er die ele-
mentarios10 verhörenξ
Von 12 uhrn soll er erstlichs den Catonem11 re-
petiern, | vorgeendte lection und versus die knaben
memoriter recitiern und exponiern lassen, die voca-
bula oder themata exigiern und alsdan ain nuwe lec-
tionem furlesen. Die uberige zeit verhöre er aber-
mals die elementarios.
Umb 3 uhrn an denen tagen, da man nit auß-
laßt12, mag er leichts träctetlin, sententias pueriles
dicta septem sapientum13, confabulationes Hegen-
dorffini paedonomiam etc.14 aut aliquid simele fur-
lesen. Ist waß uberigs15, so besichtige er die schriff-
ten, schreybe inen fur und gebe inen 2 oder 3 la-
thainische worttlin verteutschet zulernen für. Auch
sollen sie baide mitainander die elementarios ver-
hören, darmit sie an den selbigen tagen jedes tags
dreymalen verhört werden.
An dem sampstag umb 12 uhrn biß uf 1 uhrn
oder länger, nach seinem gefallen, soll er mit baiden
classibus die musicam und das [!] gesang getrew-
lichst euben unnd vleis furwenden, das die liebliche,
frödenreiche, lobliche musica widerum durch Gottes
gnad in schul und kirchen gebracht werde.
Jetz verzaichneter vorgesetzter ordnung sollen und
werden baide, der herr schulmaister und provisor,

die „Disticha Catonis“, auch „Dicta, Distigium Cato-
nis“ genannt, vier Bücher mit Lebensregeln und Spruch-
weisheiten. Sie gehörten zur Anfangslektüre des lateini-
schen Grammatikunterrichts, LMA II, Sp. 1576f.
12 Die Schüler nachmittags nicht nach Hause schickt.
13 Die Sieben Weisen, Persönlichkeiten des öffentlichen Le-
bens in der griechischen Antike des 7. und 6. Jahrhun-
derts v. Chr. Ihre Spruchweisheiten wurden auch in
nachklassischer Zeit immer wieder zitiert und interpre-
tiert, vgl. KP 5, Sp. 177f.
14 Christoph Hegendorff (1500-1540), Professor für Grie-
chisch in Leipzig und Frankfurt/O. Zwischen 1537 und
1539 reformierte er das Hochschulwesen der Universität
Rostock, 1539 wurde er zum Superintendenten berufen.
Seine Dialogi pueriles vermitteln den Gebrauch der la-
teinischen Sprache im Gespräch, Literatur Lexikon 5
(1990), S. 103.
15 Ist noch Zeit.

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