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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0081
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Einleitung

1. Die Reichsstadt Ulm
Ulm an der Donau entwickelte sich seit dem 12. Jahrhundert zur Stadt und erhielt 1274 von König Rudolf
von Habsburg das Esslinger Stadtrecht verliehen.1 Im Großen Schwörbrief2 besiegelten Biirgermeister, Rat
und Gemeinde 1397 die städtische Verfassung, die den 17 Zünften gegenüber den Patriziern ein Übergewicht
im Rat einräumte.3 Ulm war ein wirtschaftliches Zentrum: Hier kreuzten sich wichtige Handelsstraßen, im
15. Jahrhundert erlebte die Reichsstadt vor allem durch die Herstellung und den Fernhandel von Leinwand
und Barchent ihre wirtschaftliche Blüte.4 Die finanzkräftige oberschwäbische Metropole konnte seit Ende
des 14. Jahrhunderts ihr Stadtgebiet ausbauen und schließlich eines der größten reichsstädtischen Land-
gebiete erwerben.5 Neben den Städten Albeck, Geislingen und Leipheim gehörten rund 55 Dörfer hierzu.
Um 1500 lebten ca. 13.000 Menschen in der Reichsstadt und ihrem ausgedehnten Territorium.6
Ulm war nicht nur eine wirtschaftlich prosperierende Stadt, sie stieg auch zur politisch führenden
Macht im Südwesten auf: 1376 schlossen sich unter ihrer Fiihrung 14 Reichsstädte zum Schwäbischen
Städtebund zusammen, und im 15. Jahrhundert fand die Mehrzahl der Tagungen des Schwäbischen Bundes
und schließlich des Schwäbischen Reichskreises in der Donaumetropole statt.7
Vor dem Hintergrund dieser politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung wurde Ulm im Spätmit-
telalter auch zum kulturellen Mittelpunkt des oberschwäbischen Raums. Durch den 1377 begonnenen
Miinsterbau erlebten die bildenden Künste eine Blüte. Im 15. Jahrhundert wurde die Reichsstadt zu einem
Zentrum des Buchdrucks.8 Die Lateinschule, die zu den ältesten Siidwestdeutschlands zählte, sowie einige
Bibliotheken verliehen Ulm den Hauch einer mittelalterlichen Wissenschaftsstadt.9
Ulm gehörte zum Landdekanat Blaubeuren der Diözese Konstanz. Die Pfarrkirche Unserer Lieben Frau
„ennet felds“, die außerhalb der Stadtmauern lag, war dem Kloster Reichenau inkorporiert. 1376 gestattete

1 Specker, Ulm, S. 38, 48; ders., Ulm (Handbuch),
S. 731-734. Zur frühen Verfassungsgeschichte siehe
Hannesschläger, Verfassung, S. 7-93.
2 Abdruck in: Das rote Buch, S. 258-264; vgl. Reuter,
Schwörbrief, S. 119-126; Petershagen, Schwörpflicht,
S. 39-43.
3 Der Rat bestand um 1500 aus dem Kleinen Rat (31 Mit-
glieder: je einer aus den 17 Zünften sowie 14 Patrizier)
und dem Großen Rat (40 Mitglieder: 30 aus den Zünften
sowie 10 Patrizier). Die drei Bürgermeister wechselten
sich jährlich in ihrem Amt ab; Specker/Weig, Einfüh-
rung, S. 159f.; Specker, Ulm, S. 49f., 53-56. Zur Ent-
stehung der Zunftverfassung siehe Keitel, Bevölke-
rung, S. 87-118; Presuhn, 14. Jahrhundert, S. 48f.;
Filtzinger, Ulm, S. 158-179, Anhang S. 84.
4 Presuhn, 14. Jahrhundert, S. 46f.; Specker, Blüte-
zeit, S. 47-54; ders., Ulm (Handbuch), S. 734-738. Zum
Barchent in Ulm siehe Filtzinger, Ulm, S. 351-359.
5 Im 15. Jahrhundert war lediglich das Territorium der
Reichsstadt Nürnberg größer; Specker, Ulm, S. 52f.,
65-68; Enderle, Ulm, S. 196. Zur Entstehung des

Ulmer Territoriums siehe Haug-Moritz, Geislinger
Aufstand, S. 146-154. Vgl. auch Naujoks, Stadtverfas-
sung, S. 103-119.
6 Filtzinger, Ulm, S. 17f. Zu abweichenden Schätzun-
gen der Einwohnerzahl siehe Presuhn, 14. Jahrhun-
dert, S. 43-69; dies., Wirtschaftsmacht, S. 61-80; Spek-
ker, Blütezeit, S. 47-53; Keyser, Städtebuch, S. 264
§ 6a; Enderle, Ulm, S. 196. Zur Zusammensetzung der
Ulmer Bevölkerung siehe Filtzinger, Ulm, S. 42-140.
7 Zur verfassungsrechtlichen Stellung Ulms siehe Litz,
Entstehung, S. 13-59; Specker, Ulm, S. 49, 68-72;
ders., Tagungsort, S. 179-196.
8 Weiterführende Literatur bei Specker, Ulm, S. 72
Anm. 238.
9 Die Lateinschule bestand bereits im 13. Jahrhundert,
siehe unten, S. 286 Anm. 3; vgl. Specker, Gymnasium
academicum, S. 142f.; Presuhn, Wirtschaftsmacht,
S. 69. Zur kulturellen Blüte Ulms vgl. Specker, Ulm,
S. 72-80; Presuhn, 14. Jahrhundert, S. 43-60; dies.,
Wirtschaftsmacht, S. 61-80; Wortmann, Kunstmetro-
pole, S. 29-46.

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