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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0331
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Einleitung

1. Die Reichsstadt Esslingen
Esslingen kam 1179 in staufischen Besitz und erlangte nach der Stadtrechtsverleihung 1228 durch Kaiser
Friedrich II. den Rang einer freien Reichsstadt.1 Nach dem Machtverlust der Staufer in der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts versuchten die Grafen von Württemberg das Machtvakuum am mittleren Neckar für
sich zu nutzen. Bis ins 15. Jahrhundert fiihrte Esslingen zahlreiche zum Teil militärische Auseinanderset-
zungen mit dem mächtigen Nachbarn, der die Stadt mit seinem Gebiet nahezu vollständig umschloss.2 Die
Reichsstadt versuchte, sich den württembergischen Vereinnahmungstendenzen durch Vergrößerung ihres
Territoriums zu erwehren. Verglichen mit Reichsstädten wie Nürnberg oder Ulm blieb der Esslinger Besitz
zwar bescheiden, die Reichsstadt konnte sich ihre Eigenständigkeit jedoch bewahren.3 Im Spätmittelalter
lebten ca. 8000 Menschen in Esslingen.4 Die wirtschaftliche Entwicklung, die hauptsächlich auf Weinbau
und -handel fußte, erlitt durch die württembergische Umklammerung, die den Esslinger Handelsverkehr
durch Blockaden einschränkte, immer wieder Rückschläge.5 In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Reichsstadt - vor allem infolge des großen Städte-
kriegs (1448-1454).6
Esslingen gehörte zur Konstanzer Diözese. Neben der einzigen Pfarrkirche der Stadt - St. Dionysius -
unterstanden die Frauenkirche' sowie zahlreiche weitere Kapellen8 der Diözesanzuständigkeit. Die Bettel-
orden der Dominikaner, Franziskaner, Augustinereremiten und Karmeliter hatten Klöster in der Stadt.9
Die Ordensfrauen waren durch ein Klarissen- und ein Dominikanerinnenkloster vertreten.10 Daneben
beherbergte Esslingen zahlreiche weitere kirchliche Institutionen, darunter das Katharinenspital sowie
mehrere Pfleghöfe auswärtiger Klöster und Stifte.11
Das Patronatsrecht an der Pfarrkirche St. Dionysius12 lag seit 1213 in der Hand des Speyerer Dom-
kapitels, 1225 wurde die Pfarrkirche dem Kapitel inkorporiert. Obwohl das Besetzungsrecht erst 1547 an
den Esslinger Rat gelangte,13 griff dieser bereits früher in die kirchenrechtlichen Verhältnisse ein: Mit der
Kapellenordnung,14 die der Magistrat unter Zustimmung des Speyerer Domkapitels und des Konstanzer

1 Bernhardt, Esslingen im Früh- und Hochmittelalter;
Borst, Zur älteren Geschichte; ders., Geschichte der
Stadt, S. 90-109; Diehl, Verfassungs- und Finanzge-
schichte, S. 42-46.
2 Schröder, Kirchenregiment, S. 18-21. Auch die
Reichsstädte Reutlingen und Giengen an der Brenz
lagen inmitten württembergischen Gebiets, siehe oben,
S. 27 und unten, S. 417.
3 Schröder, Kirchenregiment, S. 18; Diehl, Verfas-
sungs- und Finanzgeschichte, S. 46-50.
4 Zu den Bevölkerungszahlen und zur Sozialstruktur vgl.
Kirchgässner, Wirtschaft, S. 149-147; Schröder,
Kirchenregiment, S. 28f.
5 Schröder, Kirchenregiment, S. 22-24. Vgl. Bern-
hardt, Eßlingen und Württemberg, S. 29-34; Jooss,
Esslingen, S. 674f.
6 Zur wirtschaftlichen Situation Esslingens im Spätmittel-
alter siehe Kirchgässner, Wirtschaft, bes. S. 86-136.
7 Die Frauenkirche besaß keine Pfarrrechte, hatte aber

gegenüber den übrigen Kapellen der Reichsstadt eine
herausgehobene Stellung, von Campenhausen, Klerus,
S. 42-49; Jooss, Esslingen, S. 675.
8 Detaillierte Beschreibung der einzelnen Kapellen bei
von Campenhausen, Klerus, S. 246-251.
9 Uhland, Klöster, S. 7-42; Jooss, Karmeliten, S. 59;
von Campenhausen, Klerus, S. 20.
10 Uhland, Klöster, S. 7-42; Fezer, Konvente,
S. 45-100.
11 Haug, Hospital, S. 17-25, 86-91; Schröder, Kirchen-
regiment, S. 18. Zur Esslinger Sakraltopografie siehe
ebd., S. 30-32.
12 Sie war als staufische Eigenkirche errichtet worden, vgl.
von Campenhausen, Klerus, S. 20f.; Schröder, Kir-
chenregiment, S. 32f.; Müller, Pfarrkirche.
13 Borst, Geschichte der Stadt, S. 232; von Campenhau-
sen, Klerus, S. 14f., 29-36; Schröder, Kirchenregi-
ment, S. 32-36; Müller, Pfarrkirche, S. 244f., 248-252.
14 StaatsA Ludwigsburg B 169 Bü 35, Rotes Buch,

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