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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0437
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Einleitung

1. Die Reichsstadt Giengen
Die Reichsstadt Giengen im unteren Brenztal an der Ostalb zählte 1307 zu den zwölf schwäbischen Reichs-
städten.1 Nach einem jahrzehntelangen Intermezzo, in dem die Stadt den Grafen von Helfenstein und den
Herzögen von Bayern verpfändet war, gelang es ihr, sich bis 1399 von sämtlichen Pfandherrschaften los-
zukaufen.2 Bereits 1395 war Giengen dem Bündnis der schwäbischen Reichsstädte beigetreten, aus dem
1488 der Schwäbische Bund hervorging. Um 1500 besaß Giengen eine Ratsverfassung, an deren Spitze ein
amtierender Bürgermeister stand, der von zwei weiteren Bürgermeistern und neun bis zehn Ratsherren
beraten wurde.3
Ebenso wie Reutlingen und Esslingen4 war auch Giengen vollkommen vom Gebiet der Grafschaft und
des späteren Herzogtums Württemberg umschlossen. Obwohl die württembergischen Herrscher immer wie-
der versuchten, die Stadt ihrem Territorium einzuverleiben, konnte Giengen sich behaupten und seine
Selbständigkeit bewahren. Dies gelang nicht zuletzt durch die geordnete, stabile Finanzlage und den Wohl-
stand der Reichsstadt.5 Durch die Umklammerung konnte die Reichsstadt mit ihren rund 1500 Einwoh-
nern6 allerdings kein nennenswertes Gebiet erwerben. Je intensiver die Auseinandersetzungen mit Würt-
temberg waren, um so enger und besser war das Verhältnis des Rates zur nahegelegenen Reichsstadt Ulm,
von der sich Giengen auf den Reichs- und Kreistagen vertreten ließ. Gute Beziehungen bestanden darüber
hinaus zu Nördlingen, Augsburg und Nürnberg.7 Matthäus Merian charakterisierte Giengen in seiner 1643
erschienenen Beschreibung als ein „lustiges wolvermögliches Reichs-Stättlein, an dem Wasser der Brentz
gelegen“8. Dies traf jedoch nur für die Zeit vor dem großen Stadtbrand von 1634 zu, der auch zahlreiche
Dokumente vernichtete und die Erforschung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte der
Reichsstadt nachhaltig erschwerte.9 So kann in unsere Edition lediglich ein einziger Text aus Giengen
aufgenommen werden.
Die Giengener Kirchen unterstanden dem Bistum Augsburg. Erste Pfarrkirche der Stadt war die 1216
bezeugte Peterskirche, von der die Pfarrrechte vor 1335 auf die Marienkirche übergingen. St. Marien stand
seit 1348 unter dem Patronat des in Württemberg gelegenen Klosters Herbrechtingen, 1349 wurde sie
diesem inkoporiert.10 1436 erhielt die Reichsstadt vom Basler Konzil das Präsentationsrecht für die Stadt-
kirche zugesprochen. Nachdem das Kloster 1552 im Zuge der Reformationseinführung in Württemberg
aufgelöst wurde, ging das Patronatsrecht an Württemberg über. Der Giengener Magistrat behielt jedoch
sein Mitwirkungsrecht bei der Besetzung der Pfarrstelle.
Neben der Pfarrkirche wurde die Giengener Sakraltopografie zu Beginn des 16. Jahrhunderts durch das
Heilig-Geist-Spital, das 1319 erstmals erwähnt ist, eine Niederlassung der Augustiner-Terziarinnen, die

1 Im Landfriedensbund König Albrechts I. (1298-1308),
Bühler, Giengen im Mittelalter, S. 43.
2 Bühler, Giengen an der Brenz, S. 678; Bartelmess,
Giengen, S. 51.
3 Bartelmess, Giengen, S. 51.
4 Siehe oben, S. 27 und S. 311.
5 Fetzer, Kriegsnot, S. 74.
6 Litz, Bilderfrage, S. 224; vgl. Fetzer, Kriegsnot, S. 74.
7 Bartelmess, Giengen, S. 59.

8 Zitiert nach Bartelmess, Giengen, S. 68.
9 Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen auf
die bruchstückhafte Überlieferung der ab 1534 vorliegen-
den Ratsprotokolle, vgl. Litz, Bilderfrage, S. 224
Anm. 1.
10 Bühler, Heidenheim, S. 50-56; ders., Giengen im Mit-
telalter, S. 41. Zu den kirchlichen Institutionen in
Giengen siehe auch Magenau, Beschreibung, S. 44-51.

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