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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0089
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Einleitung

ten verschickt, darunter sämtliche Kurfürsten und Fürsten, alle Frei- und Reichsstädte sowie die wichtig-
sten eidgenössischen Städte.89 Es stellt die Apologie zur Ulmer Reformation im allgemeinen und zur Kir-
chenordnung im besonderen dar.90 Die 18 Artikel91, in denen Bucer, Blarer und Oekolampad wenige Monate
zuvor die zentralen Aussagen zur Ulmer Reformation festgehalten hatten, sind dem Text inseriert. Als
Verfasser des Ausschreibens gilt Martin Bucer, der auf seine in Anlage und Argumentation ähnlich ange-
legte Straßburger Schrift „Grund und Ursach“92 von 1524 zurückgriff.
Nachdem die Reichsstände mit dem Ausschreiben über die religionspolitischen Veränderungen in Ulm in
Kenntnis gesetzt worden waren, veröffentlichte der Ulmer Magistrat die am 6. August gedruckte Kirchen-
ordnung.93 Dieses Regelwerk, das laut Vorrede zu hayligung götlichs namens und fürbringung seins reichs
dienen sollte, umfasst Artikel zu drei Themen: Lehre, Zeremonien sowie Sitten- und Kirchenzucht.94 Der
Abschnitt zur Lehre, der ebenfalls die 18 Artikel umfasst, regelt die Anstellung von Predigern und Pfarrern
ebenso wie die Einberufung von Synoden, die Durchführung von Visitationen und die Neuordnung des
Schulwesens. Der zweite Teil beschäftigt sich mit kirchlichen Zeremonien. Hierzu gehören die Festsetzung
der gültigen Feiertage sowie Anweisungen zum Fastengebot, zur Bilderfrage, zu Taufe und Abendmahl, zu
Eheschließungen sowie zum Krankenbesuch und zu Begräbnissen. Der dritte Abschnitt betrifft die Kir-
chen- und Sittenzucht.
Die Ulmer Kirchenordnung von 1531 war von Martin Bucer, Ambrosius Blarer und Johannes Oekolam-
pad erarbeitet worden, wobei die eigentliche Verfasserschaft Bucer zugeschrieben werden kann.95 Die Theo-
logen stützten sich bei der Ausarbeitung auf verschiedene von ihnen selbst erarbeitete Ordnungen und
Schriften. Großen Einfluss hatte Oekolampads Basler Kirchenordnung von 1529,96 aus der man die Zusam-
menstellung der Inhalte und insbesondere die Regelungen zum Bann97 übernahm. Daneben bedienten sich
die Theologen der maßgeblich von Ambrosius Blarer verfassten Memminger Artikel von Februar/März
1531.98 Hieraus wurden die Abschnitte zur Kirchen- und Sittenzucht99 übernommen. Auch die Konstanzer

89 Die Empfängerliste ist überliefert in StadtA Ulm A
[8985], fol. 88. Vgl. Specker/Weig, Einführung, S. 177.
Zu dem nach Konstanz gesandten Exemplar siehe
Schiess, Briefwechsel I, Nr. 202. Die Antwort Zwinglis
und der Zürcher Geistlichen bei Zwingli, Briefwechsel
V, Nr. 1266 vom 28. August 1531.
90 Zum Inhalt des Ausschreibens siehe ausführlich
Endriss, Reformationsjahr, S. 72-76.
91 Siehe oben, Anm. 77.
92 Abdruck bei Bucer, Deutsche Schriften 1, S. 185-278.
93 Die Ordnung nennt keinen Drucker oder Druckort. Es
konnte jedoch erschlossen werden, dass sie aus der Offi-
zin des Hans Grüner in Ulm stammt, siehe Bucer,
Deutsche Schriften 4, S. 210f. Zu Hans Grüner siehe
Reske, Buchdrucker, S. 934; Benzing, Buchdrucker,
S. 470. Vom Originaldruck finden sich sechs Exemplare
in StadtBibl Ulm unter den Signaturen 27 488; 27 488,1;
27 488,2; 27 488,3; 27488,4; Schad 15 4°. Ein weiteres
Exemplar wird im StadtA Ulm unter der Signatur
A 2502, fol. 134r-167r aufbewahrt. Johannes Oekolam-
pad hatte Ambrosius Blarer am 6. Juli aufgefordert, für
den Druck der Ulmer Kirchenordnung zu sorgen,
Schiess, Briefwechsel I, Nr. 194; vgl. Bucer, Brief-
wechsel VI, Nr. 445. Am 7. Juli 1531 schrieb er aus Bibe-
rach an Bucer und Blarer in Ulm und gab Hinweise zur
Druckgestalt des Ausschreibens und der Kirchenord-
nung, ebd., Nr. 434, ebenso bei Schiess, Briefwechsel I,
Nr. 195. Am 3. Oktober 1531 sandte Bürgermeister
Georg Besserer ein Exemplar der Kirchenordnung mit

einem Begleitschreiben an Huldrich Zwingli, Zwingli,
Briefwechsel V, Nr. 1288.
94 Zu Aufbau und Inhalt der Kirchenordnung siehe aus-
führlich Endriss, Reformationsjahr, S. 76-100; An-
rich, Kirchenordnung, S. 97; Brecht, Ulm 1530-1547,
S. 21f., 25f.; Pabst, Visitationen, S. 5-12.
95 Bucer, Deutsche Schriften 4, S. 209; Brecht, Kir-
chenordnung, S.154.
96 Die Kirchenordnung war am 1. April 1529 erschienen,
Abdruck bei Roth, Aktensammlung 3, Nr. 473
S. 383-410; vgl. die ausführliche Gegenüberstellung von
Ulm und Basel bei Endriss, Reformationsjahr,
S. 88-92; Bucer, Deutsche Schrifen 4, S. 197.
97 In der Basler Ordnung innerhalb des Abschnitts zum
Abendmahl, Roth, Aktensammlung, S. 394f.
98 Abdruck der Artikel bei Jäger, Etliche Artikel,
S. 436-488. Vgl. Anrich, Kirchenordnung, S. 98; Bu-
cer, Deutsche Schriften 4, S. 197; Dobras, Ratsregi-
ment, S. 324-331; Vögeli, Schriften II/II, S. 1305f.;
Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 152. Für
den Memminger Tag wurde die Schrift „Predicanten
Ratschlag der ceremonien halben“ (StadtA Ulm
A [8983/1], fol. 107r-127r.) vermutlich von Konrad Sam
verfasst.
99 Im einzelnen handelt es sich um die Kapitel von „Von
Christlichem außschliessen“ bis „Wer und wie man die
laster angeben soll“. Vgl. Endriss, Reformationsjahr,
S. 92-94.

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