Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0102
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ulm

21. Ulmer Katechismus des Ludwig Rabus 1561 (Text S. 239)
Durch die Wittenberger Ausrichtung der Reformation, die der Rat mit der Berufung Frechts, vor allem
aber mit dessen Nachfolger Ludwig Rabus nach dem Interim fortgesetzt hatte, war auch der zwinglianisch
inspirierte Katechismus Konrad Sams von 1528/36 (Nr. 2) obsolet geworden und im Januar 1560 hatten die
Ulmer Prediger dem Rat den Vorschlag gemacht, Luthers Katechismus einzuführen.214 Ludwig Rabus hatte
daraufhin einen Katechismus verfasst, der auf Geheiß der Religionsherren gekürzt wurde und schließlich
1561 im Druck erschien.215 In diesem Text hatte Rabus Inhalte von Brenz’ und Luthers Katechismen
miteinander verbunden sowie auf einen weiteren 1556 gedruckten, in Ulm kursierenden Katechismus216
zurückgegriffen.217 Neben dem Frageteil beinhaltet Rabus’ Text die Haustafel sowie Morgen- und Abend-
segen aus Luthers Kleinem Katechismus. In Form und Inhalt weist das neue Ulmer Lehrwerk weitgehende
Übereinstimmungen mit dem Straßburger Katechismus von 1559 auf.218 Der Katechismus von 1561 wurde
1579, 1586 und 1597 mit geringfügigen Veränderungen neu aufgelegt und war bis zum Erscheinen von
Johannes Veesenbecks Lehrwerk 1598 (Nr. 29) in Gebrauch.219

22. Ehegerichtsordnung 23. Mai 1565 (Text S. 255)
Bezüglich des Ehegerichts kehrte man nach dem Interim zunächst zur vorreformatorischen Praxis zurück,
indem die Streitfälle durch zwei Rechtsgelehrte des Rats entschieden wurden.220 Erst am 7. November 1558
beschloss man, erneut ein Ehegericht in Ulm zu konstituieren. Tatsächlich eingerichtet wurde dieses jedoch
erst im Mai 1565. Der Rat ließ die Ehegerichtsordnung von 1534 (Nr. 7) überarbeiten, der Neudruck
erschien am 23. Mai 1565 in 200 Exemplaren.221 Der Text von 1565 weist gegenüber der Ausgabe von 1534
einige Veränderungen auf. Entscheidend ist, dass das Ehegericht nun nicht mehr nur Schiedsgericht war,
sondern als ordentliches Gericht konstituiert wurde. Die Eherichter erhielten volle Exekutivgewalt, die von
ihnen verhängten Strafen auch ausführen zu lassen. Damit wurde in Ulm erst nach dem Interim eine
„eigene vollwertige städtische Gerichtsbehörde für Ehesachen“ geschaffen.222
Die Anzahl der Eherichter war gegenüber 1534 auf sechs erhöht worden. Mit einem Juristen, zwei
Ratsherren, zwei weiteren weltlichen Personen sowie einem Theologen erhielt das Gericht nun auch wieder -
wenn auch nur geringe - Mitsprache seitens der Geistlichkeit.223 Während die Ordnungen von 1534 und
1565 für spezielle Fälle die Anwendung der Straßburger Eheordnung und damit die Bucerschen Vorstellun-
gen vom Eherecht vorsahen, wurde diese Anweisung in der dritten Auflage des Textes von 1600 schließlich
fallen gelassen.224
Der gedruckten Ehegerichtsordnung von 1534 waren handschriftliche Nachträge aus verschiedenen
Jahren bis 1548 beigegeben. Dabei handelt es sich zum einen um Eide der Prokuratoren, Eherichter sowie

214 Fritz, Kirchengeschichte 1931, S. 204.
215 Specker, Ulm, S. 149; Fritz, Kirchengeschichte 1931,
S. 204.
216 „Catechismus. Für die Jugent auß der gmainen Würten-
bergischen Kürchenordnung gezogen und auff das kür-
tzest verfast, der Jugent seer nutzlich und leichtlich auß-
wendig zulernen“, Abdruck bei Reu, Süddeutsche Kate-
chismen, S. 383-386; vgl. Haller, Katechismuslitera-
tur 1905, S. 124-129; Specker, Ulm, S. 149.
217 Siehe Haller, Katechismusliteratur 1905, S. 137.
218 „Christliche Underrichtung oder Lehrtafel kürtzlich in
Sechs nachfolgende Stuck verfasset“ von 1559. Der bei
Reu, Süddeutsche Katechismen, S. 141-155 abge-
druckte Text bringt in den Anmerkungen die sachlichen

Varianten zum Ulmer Text. Vgl. Haller, Katechismus-
literatur 1905, S. 139-142; Reu, Süddeutsche Katechis-
men, S. 301f.
219 Vgl. Haller, Katechismusliteratur 1905, S. 131.
220 Köhler, Ehegericht II, S. 75f.
221 Ebd., S. 80 Anm. 382. Neben der hier verwendeten Text-
vorlage (siehe unten, S. 255 Anm. a) ist ein weiteres
Exemplar überliefert in StadtA Ulm A [1776]. Zu diesem
und weiteren Überlieferungen der Neufassungen von
1600 und 1617 siehe Kremmer/Specker, Policeyord-
nungen, Nr. 2859, 3245.
222 Ebd., S. 85.
223 Zum Inhalt siehe ausführlich ebd., S. 81-85.
224 Vgl. Bucer, Deutsche Schriften 10, S. 169.

82
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften