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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0388
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Esslingen

und trost setzen sollen, wo oder wie sie got uber
nacht angreiffe, das sie auch megen selig werden
oder mitler zeit, so lang inen got ir leben gynnen wil,
sich in ein rechte zucht und in einen gotseligen stand
zu richten, darinnen haußhalten unnd zu gemeiner
besserung beharren, damit Gottes eher und der selen
heil gesucht und gemeine zucht mege angericht wer-
den.
Unnd damit diß eins ersamen rats gotlich fur-
nemen nit verlestert werde, als ob man | 6v | ein new
bapstum und orenbeicht wolte anrichten, so will ein
ersamer rath hierinnen ein soliche freiheit haben, die
khein bestimpte zeit soll haben und einem jeden
haußvatter oder haußmuter mit grossem ernst auff-
erlegt und eingebunden sein soll, zum wenigsten im
jar einmalb mit irn khindern der predicanten rats zu
pflegen, zu inen, den predicanten, khomen oder die
selbs in ire heuser zu erfordern, wie solichs uffs aller
geschicklichst beschehen mag, alles nach dem be-
velch Gottes und zu gemeiner besserung, und nach
cristenlichem rath unnd erkhantnus der predicanten
sich deß heiligen nachmales geprauchen, welchs jetz
verlesens zuchtordnung15 des jungen volcks halben
soll fur und fur weren und also lang an einem jeden
jungen menschen gepraucht werden, biß es durch
die predicanten zum heiligen nachtmal daugenlichen
erkhent wirdet. Darnach soll es durch dise ordnung
nit meher angehalten werden dann alle die, so das
heilig nachtmal prauchen, sie seien jung oder alt, die
werden den verordenten zuchthern und predicanten
befolhen sein, |7r | dieselbigen zu beschicken, nach
dem sichs jeder zeit die sachen zutragen, die selbigen
ermanen, warnen, straffen oder in ander weg, auch
des cristenlichen bans halben, mit inen zu handeln,
wie sie auß Gottes wort befelch haben und es biß
anher alhie im brauch gewesen zur besserung der
kirchen.
Unnd ob einer oder meher die heiligen sacra-
menten wurde verachten unnd sonderlichen die jun-
gen knaben oder thechtern, wer die wern, so das hei-
lig nachtmal geprauchen, welte mit spotlichen wor-
b Gestrichen: seine khinder selbs cristenlichen zuunder-
weisen und zum hailgen nachtmal mit rechtem verstand
zufurdern oder aber.

ten schimpffiern als apostenßler16, heiligenfres-
thern17 und dergleichen nennen und außgiessen, ge-
gen denselbigen wirdet sich ir ersam weißheit mit
ernstlicher straff also ertzeigen und halten, darob
menigklich ir hechst misfalln spurn und vermercken
solte. Darnach wisse sich menigklich zu richten. |7v |
Hierauff und zu beschluß diser furgenomener ord-
nung, und damit dieselbigen in kheinen abgang kho-
me, hat ir ersam weißheit den verordenten zucht-
hern ernstlichen bevelch geben, gut achtung zuha-
ben uff die mutwilligen ubertretter, namlichen, so es
sich etwan zutriege, das ein haußvatter oder hauß-
muter an inen selbs oder den iren hierinn sem-
lich18 sein wurde, oder, wo ungehorsame khinder
wern, deren ire elter nit mochten meister sein, auch
wo sich etwa bose, mutwillige khinder wurden zu-
samen schlagen und auß mutwillen einander von di-
sem heiligen werck abfiern, dise alle sollen fur die
zuchthern beschickt werden, alte und junge, ein je-
des nach gelegenheit zu red stellen, warumb sie di-
sem befelch nit geleben, unnd ist darumben eins er-
barn rats meynung mit nichten, jemants dardurch
zu dem heiligen nachtmal zu zwingen, besonder, |8r |
dweil ir ersam weißheit ein cristenliche oberkheit,
von got verordent, das sie alle mugliche mittel und
weg suchen und furnemen, wie einem jeden zur se-
ligkheit zu helffen sein welle, und also mit gotlicher
hilff, sovil muglich, einem jeden mit Gottes wort zu
begegnen, das der mutwillig in seiner gewissen
schamroth und der unverstendig zu einem rechten
verstand gerate, sie beide bekhert, Got loben und
preissen megen. Das meinet ir ersam weißheit gantz
ernstlichen.
[Rückvermerk:] Uff donerstag nach Ulrici ist der
hier inverleipten articul halb durch klainen und
grossen rath berathschlagt, erstlich der alten halb,
so nit in die predig geend, das dieselbigen durch die
verordenten zuchtherren beschickt werden sollen,
zum andern der jungen halben und das die selbigen
15 Esslinger Zuchtordnung von 1532, siehe Nr. 5.
16 Irrgläubige, Heuchler, vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 536f.
17 Heiligenfresser = Abergläubige.
18 Derartig, solcherart.

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