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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0457
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Einleitung

5. Feiertagsmandat 1554 (Text S. 452)
In einem Mandat vom 1. August 1548, das ganz im Zeichen der Restitution des alten Glaubens zur Zeit des
Interims stand,54 hatte der Rat die gültigen Feiertage benannt, darunter auch zahlreiche Heiligentage.
Gegenüber dieser Anordnung wurde die 1554 erneuerte Feiertagsliste zwar um einige Heiligenfeste verrin-
gert, es sollten jedoch weiterhin Marienfeste gefeiert werden. Der Biberacher Magistrat war mit diesem
Feiertagsmandat darum bemüht, sowohl den Alt- wie den Neugläubigen gerecht zu werden.55

6. Mandat Kaiser Ferdinands I. zur Biberacher Religionstoleranz 21. Januar 1563 (Text S. 453)
Mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 wurde das Nebeneinander beider Konfessionen, das in Biberach
bereits seit dem Interim praktiziert worden war, reichsrechtlich bestätigt.56 Nicht die Bikonfessionalität
war jedoch seit der kaiserlichen Wahlordnung von 1551 das Problem, sondern die vor diesem Hintergrund
stehenden politisch unausgewogenen Machtverhältnisse: Die rund 3500 evangelischen Bürger der Reichs-
stadt wurden von einem Magistrat regiert, der sich aus 15 mehrheitlich katholischen Räten der insgesamt
wohl 200 Köpfe zählenden altgläubigen Minderheit zusammensetzte.57 Die Konfessionsfrage blieb auch in
den folgenden Jahrzehnten eng mit der Verfassungsfrage verknüpft. Das Bemühen der Evangelischen um
freie Ratswahl oder die zumindest hälftige Beteiligung an der Besetzung des Rats war das bestimmende
Thema der Biberacher Innenpolitik nach 1555.58 Die Auseinandersetzung zwischen katholischem Magistrat
und evangelischer Bürgerschaft eskalierte schließlich 1562, woraufhin der Rat sich am 13. Oktober an den
Kaiser wandte.59 Ferdinand I. sandte am 21. Januar 1563 ein Mandat nach Biberach: Die Zahl der Mit-
glieder des Kleinen Rats wurde von 15 auf 21 erhöht; keiner, der zu einem öffentlichen Amt tauglich war,
sollte wegen seiner Konfession ausgeschlossen sein.60 In der Praxis wurde diese Parität jedoch nicht umge-
setzt; 1576 bestand der Kleine Rat immer noch mehrheitlich aus Katholiken, und von den zwölf Richtern
waren nur zwei evangelisch. In den Reihen des Großen Rates waren hingegen nur drei von 20 Ratsherren
katholisch.61 Auf Druck des Pfälzer Kurfürsten wurde 1584 mit Gottschalk Klock seit 32 Jahren wieder ein
Protestant zu einem der drei Biberacher Bürgermeister gewählt. Erst nach dem Westfälischen Frieden 1648
kam es in Biberach zu paritätischer Besetzung von Rat und Gericht: Alle Ämter wurden zu gleichen Teilen
mit Protestanten und Katholiken besetzt.62
Biberach besaß nach dem Interim eine kleine katholische Pfarrgemeinde, aus der sich die große evan-
gelische Gemeinde (über 90% der Bürgerschaft) als Personalpfarrei herausgelöst hatte. Diese unterstand
jedoch - etwa in Eheangelegenheiten - immer noch der Jurisdiktion des Konstanzer Bischofs.63 Im
Anschluss an das 1563 erlassene kaiserliche Mandat gelangte auch die Pfarrkirche in die Hand des Bibe-
racher Rats: Das Kloster Eberbach sah sich aus finanziellen Gründen gezwungen, die Rechte an seinem

54 StadtA Biberach, Spitalarchiv, A 1261, fol. 40r-41r.
55 Rüth, Reformation in Biberach, S. 286f.; Pfeiffer,
Parität, S. 12.
56 Abdruck bei Brandi, Religionsfriede, S. 32-52. Vgl.
Diemer, Simultaneum, S. 32; Rüth, Simultaneum,
S. 23f.; ders., Reformation in Biberach, S. 285f.
57 Diemer, Bikonfessionaltät, S. 291f.; Kramer, Simul-
tanverhältnisse, S. 150. Dagegen Warmbrunn, Kon-
fessionen S. 142: „In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts lebten in Biberach insgesamt 5000 Einwohner. Der
Anteil der Katholiken lag zwischen 8% und 12,5%“.
58 Diemer, Bikonfessionalität, S. 289f.; Pfeiffer, Pari-
tät, S. 14-18; Rüth, Reformation in Biberach, S. 286.

59 Pfeiffer, Parität, S. 15-17; Diemer, Simultaneum,
S. 32f.; Kramer, Simultanverhältnisse, S. 152f.
60 Vgl. Schier, Ursachen, S. 30f.
61 Diemer, Geschichte Biberachs, S. 680; ders., Zwei Kon-
fessionen, S. 16f.
62 Schneider, Kalender; Warmbrunn, Konfessionen,
S. 380ff.; Pfeiffer, Parität, S. 23, 27, 70-75; Diemer,
Zwei Konfessionen, S. 16-19; ders., Bikonfessionalität,
S. 293. Die Geschichte bis zum Westfälischen Frieden
zeichnen Diemer, Simultaneum, S. 34ff. und Kramer,
Simultanverhältnisse, S. 152-164 nach.
63 Pfeiffer, Parität, S. 18; Rüth, Simultaneum, S. 24;
ders., Reformation in Biberach, S. 286.

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