Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0484
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ravensburg

ben der Straßburger Theologen Martin Bucer, Kaspar Hedio und Johann Marbach versehen, wurde er im
November 1546 als Prediger in Ravensburg angestellt.65
Für Gengenbach hatte Lindner einen Katechismus verfasst, der am 23. Februar 1545 im Druck erschie-
nen war.66 Auch für Ravensburg konzipierte er 1546 eine katechetische Schrift. Der ursprüngliche Text
scheint nicht überliefert zu sein, der Katechismus ist lediglich in Form eines Nachdrucks von 1733 erhal-
ten.67 Obwohl hierin ausdrücklich erwähnt ist, dass der Neudruck des Ursprungstextes ohne Verrukkung
einiger Sylben erfolgt sei, legen die außerordentliche Länge des Katechismus und der ausschweifende Duk-
tus der Sprache nahe, dass nicht nur mit Erweiterungen, sondern auch inhaltlichen Veränderungen in den
Erstdruck eingegriffen worden ist. Der Text von 1733 weist eindeutig die Formgebung des frühen 18.
Jahrhunderts auf und gelangt daher hier nicht zum Abdruck. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass der Kate-
chismus, der eine an Luther und Brenz angelehnte Theologie erkennen lässt,68 „einen bedeutenden Einfluss
auf die Fortführung der Glaubensbewegung in der Stadt"69 besaß.

6. Zuchtordnung 11. Oktober 1546 (Text S. 476)
Neben Lindners Katechismus war die Zuchtordnung vom Oktober 1546 die wichtigste Schrift zur Festigung
der Reformation in Ravensburg. Bereits 1532 hatte sich der Magistrat um die Sittenzucht in seinem
Gemeinwesen bemüht: Am 31. Januar hatte er sich aus Konstanz einen Auszug70 zum Schwören und Zutrin-
ken aus der dortigen Zuchtordnung von 1531 schicken lassen sowie ähnliche Maßgaben aus dem altgläu-
bigen Überlingen.71 Gestützt auf diese Vorlagen war in Ravensburg 1532 eine Ordnung gegen Schwören,
Fluchen und Zutrinken erarbeitet worden, die jedoch nicht erhalten ist.72 Überliefert sind hingegen ähnliche
Regelwerke aus den folgenden Jahren.73
Am 11. Oktober 1546 erschien schließlich eine umfangreiche Zuchtordnung mit eindeutig reformato-
rischen Zügen.74 Nach der Vorrede und dem ersten Kapitel, in dem sich Bürgermeister und Rat zur evan-

65 Die Empfehlung der drei Theologen ist abgedruckt bei
Kohls, Katechismen, S. 95, Beilage 3.
66 Abdruck bei Sehling, EKO XVII/1, S. 501-511. Vgl.
hierzu die Rezension: Bolchert, Katechismen,
S.102-105.
67 Im StadtA Ravensburg. Abdruck bei Kohls, Katechis-
men, S. 31-91. Abdruck des Titelblatts und des umsei-
tigen Epigramms ebd., S. 15f. In den Jahren 1636, 1651
und 1705 erschienen weitere Auflagen von Lindners
Ravensburger Katechismus, siehe ebd., S. 28. Seeling,
Willing, S. 27 Anm. 2 nimmt an, dass es 1546 nicht mehr
zur Veröffentlichung des Katechismus kam und der
Druck von 1733 wahrscheinlich nach einem handschrift-
lichen Exemplar aus dem 16. Jahrhundert erfolgte. Vgl.
Rudolf, Ravensburg, S. 12.
68 Seeling, Willing, S. 27 geht davon aus, dass Lindner
gar keinen eigenständigen Text verfasste, sondern den
Nürnberger Katechismus unter Hinzuziehung seines
Gengenbacher Katechismus lediglich mit eigenen Verän-
derungen versah.
69 Dreher, Geschichte II, S. 763.
70 Im Begleitschreiben von Bürgermeister und Rat in Kon-
stanz hieß es: Wir habenn uß unser uffgerichten zuchtord-
nung, so vil sweren und zütrinncken betrift, uwer beger nach
ußzaichnen und uweren gsanten uberantworten lassen,
dann die gantze zuchtordnung abzeschriben, hette den botten
uffhalten müßen. So ir aber deren begeren, werden wir uch

dis nit versagen. Auszug und Begleitbrief sind überliefert
in StadtA Ravensburg Bü 377a/l.
71 Der Überlinger Rat schrieb an Ravensburg: Wir [...]
schicken e[urer] e[hrsamen] w[eisheit] daruff die ordnung,
so wir von wegen swerens halb furgenomen, hiemit zu, wie ir
dann ab hierinn ligender abschrifft vernemen, welche also
in unsern zunfften geprucht [...] dergleichen die ordnung
deß zutrinckens, innhallt hierinn verschlossner abschrifft,
wie dann die bißher in unser statt gehalten worden ist,
StadtA Ravensburg Bü 377a/l. Vgl. Köhler, Ehege-
richt II, S. 333.
72 Hofacker, Reformation, S. 108 bezeichnet den Text
als Fluchordnung.
73 StadtA Ravensburg Bü 377a/l Nr. 2; ebd., Bü 377a/2,
Nr. 13 vom 12. Dezember 1540; ebd., Bü 377a/2 vom 31.
Juli 1544. Vgl. Warmbrunn, Reformatoren, S. 184;
Köhler, Ehegericht II, S. 333f.; Hofacker, Refor-
mation, S. 87f.
74 Nahezu durchgängig erscheint in der Literatur die
Angabe, die Zuchtordnung stamme vom 17. Oktober, so
Warmbrunn, Reformatoren, S. 191; ders., Konfessio-
nen, S. 62; Hofacker, Reformation, S. 107; Litz, Bil-
derfrage, S. 262. Während Dreher, Geschichte II,
S. 763 ebenfalls dieser Meinung anhängt, datiert er in
seinem ersten Band (Geschichte I, S. 387) richtig auf den
11. Oktober. Auch Köhler, Ehegericht II, S. 336 irrt in
seiner Annahme, der Text sei am 12. Oktober publiziert

464
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften