Einleitung
3. Die Ausbildung der Bikonfessionalität seit dem Interim 1548-1618
Mit zahlreichen Mandaten und nicht zuletzt der Zuchtordnung aus der zweiten Jahreshälfte 1546 hatte die
Reformationseinführung in Ravensburg ihren Höhepunkt in genau dem Jahr erreicht, in dem der Schmal-
kaldische Bund seit Juli im Krieg mit den kaiserlichen Truppen stand.96 Nach der Niederlage der Schmal-
kaldener musste sich Ravensburg wie die übrigen Bundesgenossen 1547 dem Kaiser unterwerfen und zu der
1548 im Augsburger Interim verfügten Restitution des alten Glaubens verpflichten.97 Der altgläubigen
Minderheit musste die Religionsausübung wieder gestattet werden, aber auch die Evangelischen lebten
ihren Kultus: Zwischen 1547 und 1551 bestand zum einen das evangelische Kirchenwesen in kleinerem
Rahmen weiter - wie im Herzogtum Württemberg98 wurden evangelische Prediger als Katechisten ange-
stellt - , zum andern entstammten die politischen Machthaber (Bürgermeister und Stadtammänner) mehr-
heitlich evangelischen Kreisen.99 Dem überwiegend evangelischen Rat war es - nicht zuletzt wohl aufgrund
der kurzen Zeitspanne zwischen Reformationseinführung und Interim - nicht gelungen, die Rechte an den
beiden Pfarrkirchen an sich zu ziehen: Die Ravensburger Pfarrstellen wurden auch nach der Reformations-
einführung 1545/46 von den Äbten der beiden Abteien Weingarten und Weißenau besetzt. Die Verfassungs-
änderung Kaiser Karls V. von 1551, nach der die Patrizier als Anhänger des alten Glaubens den Rat
dominierten, trug in Ravensburg zur Konstituierung des bikonfessionellen Zustands bei, denn in der Praxis
wurde der Rat nahezu gleichmäßig mit Katholiken und Protestanten besetzt. Nach Ende des Interims
(1552) galt Ravensburg als bikonfessionelle Stadt, in der die katholische Minderheit ebenso ihren Glauben
leben konnte wie die evangelische Mehrheit. Dieser Zustand wurde 1555 mit dem Augsburger Religions-
frieden schließlich auch reichspolitisch fixiert. Ähnlich wie in Biberach stand der mehrheitlich evangelischen
Bevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts jedoch ein immer stärker von katholischen Ratsherren gepräg-
ter Magistrat gegenüber.100
7. Vertragsauszug zur bikonfessionellen Nutzung der Karmeliterkirche 5. Dezember 1554 (Text S. 495)
Mit dem Interim wurden beide Pfarrkirchen wieder katholisch: Gemäß kaiserlichem Mandat vom
28. Februar 1548 wurde dem Ravensburger Rat auferlegt, die Liebfrauenkirche und St. Jodok in allen
Rechten und Besitzungen in die Verfügung der beiden Abteien Weingarten und Weißenau zurückzugeben
und sie den Altgläubigen wieder für ihre Messfeiern zu überlassen. Auch der Konvent des Karmeliterklo-
sters wurde restituiert.101 Nachdem die Mönche im Mai 1549 zurückgekehrt waren, geriet die evangelische
Gemeinde, die in der Klosterkirche ihre Gottesdienste feierte,102 zwar unter Druck, sie konnte ihr Nutzungs-
recht jedoch aufrecht erhalten, da der Kirchenraum geteilt wurde: Der Chor blieb den Karmelitern vor-
behalten, das Langhaus stand weiterhin der evangelischen Gemeinde zur Verfügung.
Trotz dieser Separierung kam es in den folgenden Jahren immer wieder zu Auseinandersetzungen zwi-
schen den Anhängern der beiden Konfessionen.103 Auf Vermittlung der Reichsstädte Ulm, Überlingen,
96 Mitte August besetzten Truppen des Schmalkaldischen
Bundes die Klöster Weingarten und Weißenau. Die
Messe wurde verboten und die Klosterkirche sogar kurz-
fristig der evangelische Kirche in Ravensburg unter-
stellt, Müller, Aktenstücke, S. 59; Günter, Blarer I,
Nr. 799 S. 573, Nr. 806 S. 576; Hofacker, Reforma-
tion, S. 111f.; Warmbrunn, Konfessionen, S. 63; Ru-
dolf, Ravensburg, S. 10-14.
91 Warmbrunn, Reformatoren, S. 192; ders., Konfessio-
nen, S. 63; Müller, Aktenstücke, S. 75; Rudolf,
Ravensburg, S. 14f.
98 Vgl. etwa das Mandat Herzog Ulrichs zur Wiederanstel-
lung evangelischer Prediger vom 15. April 1549, Seh-
ling, EKO XVI, S. 33, 168.
99 Warmbrunn, Konfessionen, S. 95; Hofacker, Refor-
mation, S. 113, 118.
100 Warmbrunn, Konfessionen, S. 137-139. Zu Biberach
siehe oben, S. 437.
101 Warmbrunn, Konfessionen, S. 227.
102 Siehe oben, S. 461.
103 Müller, Aktenstücke, S. 80.
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3. Die Ausbildung der Bikonfessionalität seit dem Interim 1548-1618
Mit zahlreichen Mandaten und nicht zuletzt der Zuchtordnung aus der zweiten Jahreshälfte 1546 hatte die
Reformationseinführung in Ravensburg ihren Höhepunkt in genau dem Jahr erreicht, in dem der Schmal-
kaldische Bund seit Juli im Krieg mit den kaiserlichen Truppen stand.96 Nach der Niederlage der Schmal-
kaldener musste sich Ravensburg wie die übrigen Bundesgenossen 1547 dem Kaiser unterwerfen und zu der
1548 im Augsburger Interim verfügten Restitution des alten Glaubens verpflichten.97 Der altgläubigen
Minderheit musste die Religionsausübung wieder gestattet werden, aber auch die Evangelischen lebten
ihren Kultus: Zwischen 1547 und 1551 bestand zum einen das evangelische Kirchenwesen in kleinerem
Rahmen weiter - wie im Herzogtum Württemberg98 wurden evangelische Prediger als Katechisten ange-
stellt - , zum andern entstammten die politischen Machthaber (Bürgermeister und Stadtammänner) mehr-
heitlich evangelischen Kreisen.99 Dem überwiegend evangelischen Rat war es - nicht zuletzt wohl aufgrund
der kurzen Zeitspanne zwischen Reformationseinführung und Interim - nicht gelungen, die Rechte an den
beiden Pfarrkirchen an sich zu ziehen: Die Ravensburger Pfarrstellen wurden auch nach der Reformations-
einführung 1545/46 von den Äbten der beiden Abteien Weingarten und Weißenau besetzt. Die Verfassungs-
änderung Kaiser Karls V. von 1551, nach der die Patrizier als Anhänger des alten Glaubens den Rat
dominierten, trug in Ravensburg zur Konstituierung des bikonfessionellen Zustands bei, denn in der Praxis
wurde der Rat nahezu gleichmäßig mit Katholiken und Protestanten besetzt. Nach Ende des Interims
(1552) galt Ravensburg als bikonfessionelle Stadt, in der die katholische Minderheit ebenso ihren Glauben
leben konnte wie die evangelische Mehrheit. Dieser Zustand wurde 1555 mit dem Augsburger Religions-
frieden schließlich auch reichspolitisch fixiert. Ähnlich wie in Biberach stand der mehrheitlich evangelischen
Bevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts jedoch ein immer stärker von katholischen Ratsherren gepräg-
ter Magistrat gegenüber.100
7. Vertragsauszug zur bikonfessionellen Nutzung der Karmeliterkirche 5. Dezember 1554 (Text S. 495)
Mit dem Interim wurden beide Pfarrkirchen wieder katholisch: Gemäß kaiserlichem Mandat vom
28. Februar 1548 wurde dem Ravensburger Rat auferlegt, die Liebfrauenkirche und St. Jodok in allen
Rechten und Besitzungen in die Verfügung der beiden Abteien Weingarten und Weißenau zurückzugeben
und sie den Altgläubigen wieder für ihre Messfeiern zu überlassen. Auch der Konvent des Karmeliterklo-
sters wurde restituiert.101 Nachdem die Mönche im Mai 1549 zurückgekehrt waren, geriet die evangelische
Gemeinde, die in der Klosterkirche ihre Gottesdienste feierte,102 zwar unter Druck, sie konnte ihr Nutzungs-
recht jedoch aufrecht erhalten, da der Kirchenraum geteilt wurde: Der Chor blieb den Karmelitern vor-
behalten, das Langhaus stand weiterhin der evangelischen Gemeinde zur Verfügung.
Trotz dieser Separierung kam es in den folgenden Jahren immer wieder zu Auseinandersetzungen zwi-
schen den Anhängern der beiden Konfessionen.103 Auf Vermittlung der Reichsstädte Ulm, Überlingen,
96 Mitte August besetzten Truppen des Schmalkaldischen
Bundes die Klöster Weingarten und Weißenau. Die
Messe wurde verboten und die Klosterkirche sogar kurz-
fristig der evangelische Kirche in Ravensburg unter-
stellt, Müller, Aktenstücke, S. 59; Günter, Blarer I,
Nr. 799 S. 573, Nr. 806 S. 576; Hofacker, Reforma-
tion, S. 111f.; Warmbrunn, Konfessionen, S. 63; Ru-
dolf, Ravensburg, S. 10-14.
91 Warmbrunn, Reformatoren, S. 192; ders., Konfessio-
nen, S. 63; Müller, Aktenstücke, S. 75; Rudolf,
Ravensburg, S. 14f.
98 Vgl. etwa das Mandat Herzog Ulrichs zur Wiederanstel-
lung evangelischer Prediger vom 15. April 1549, Seh-
ling, EKO XVI, S. 33, 168.
99 Warmbrunn, Konfessionen, S. 95; Hofacker, Refor-
mation, S. 113, 118.
100 Warmbrunn, Konfessionen, S. 137-139. Zu Biberach
siehe oben, S. 437.
101 Warmbrunn, Konfessionen, S. 227.
102 Siehe oben, S. 461.
103 Müller, Aktenstücke, S. 80.
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