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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0503
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6. Zuchtordnung 1546

und kayserlichen rechten erhalten werden, so haben
wir verordnet und gesetzt ettlich frum, erbar, gotts-
förchtig und verstendig männer, die sollich fürfal-
lend sachen nach Gottes wortt und den kayserlichen
geschribnen rechten44 urthailen und darüber erken-
nen sollen, ob sollich haimlich oder winckelehen
oder annder fäl, so sich derhalb zutragen und bege-
ben wurden, zuzulassen oder widerzutreiben45 seyen
oder nit, dieselbigen, unnsere gesetzte eerichter, sol-
len ainem jeden hierinnen gleich richter sein unnd
die sachen nach Gottes wortt unnd den kayserlichen
rechten, auch nachdeme inen ain sondere maß und
ordnung geben ist, erkennen, urthailen und aus-
sprechen, unnd was sy also erkennen, darbey soll es
beleiben one verrer appelliern oder reduciern, unnd
nemlich: I23I
Wa sich begäbe, das zway ainandern der ee hal-
ben wolten ansprächen unnd aber bey der abredung
diser baider partheyen vatter und muter46 oder, im
fal, wa die nit in leben oder vorhanden werend, ire
vögt, fürmünder oder freund, unnd im fal, so die
auch nit zugegen oder darzu berüefft hetten mögen
werden, ander glaubhafftig, frum, erbar männer, de-
ren auffs wenigest zwen sein sollen, so bey der heu-
ratsabredung gewesen, in massen, wie obangezaigt,
nit wissten darzustöllen, so soll die parthey, so der
ehe laugenbar47 unnd nit gestendig ist, one ainiche
glüpt und ayd von dem versprechen mit Recht lödig
erkennt werden.
Item, wann jung personen, so noch under der
zucht irer eltern, fürmünder, pfleger, vögten oder
nächsten freunden, haimlich oder in beysein ett-
licher personen, jedoch one vorwissen irer eltern,
vögten, fürmünder oder freuntschafft, die ehe voln-
ziehen wurden, und aber die eltern, vatter und mu-
ter oder vögt, pfleger, fürmünder als die nechsten
freund dargegen fürwenden und sagen wurden, das
solliche I 24I vermählung one irer vorwissen beschä-
hen were unnd sy irn willen darzu nit geben wölten,
zu ainem oder baiden thailen, und wir oder unnser

44 Siehe oben, Anm. 42.
45 Abzuhalten.
46 Siehe Kaiser, Eheeinwilligung, bes. S. 123-129.
47 Die die Eheschließung bestreitet.

gesetzte eerichter darüber erkennen mögen, das sol-
lich der eltern fürwannd dem rechten und billichait
gemeß und auß dhainem argen lisst oder ungunst,
sonder allain mit gruntlichen ursachen fürgewendt
seyen, allsdann soll dise versprechung der zwayer,
soverr sich die zway weiter mit den eelichen wercken
nit vermischt hetten, wider abgetriben und un-
würcklich erkennt werden. Wa sich aber die zway
mit den eelichen wercken weiter eingelassen, der-
halb ire öltern, vögt oder schutzherrn wider irn
willen sich zu der ehe zu bewilligen verursacht wur-
den, wöllen wir in disem fal uns die straf gegen den-
selbigen zwayen eegemächiten nach gestalt der sach
vorbehalten, auch dieselbigen one scheinbar-
liche48 straff (darmit sy andern zum exempel fürge-
stölt seyen) nit hingeen lassen. Es sollen auch in di-
sem fal der baiden contrahenten oder eegemächiten
vatter und muter |25| ir baider leben lanng von irem
gut inen kain heuratgut zugeben schuldig sein. Doch
wo die kinder aigen gut hetten, das inen durch sonn-
der angeboren erbgerechtigkait in testaments weise
verschafft oder sonnst zugehörig were, das sölle inen
ungespört49 von iren eltern widerfaren unnd zuge-
stölt werden, doch soll hierinnen den eltern, namlich
ir vatter unnd muter, der abnutzungen50 halb nach
unnsern vorigen stattuten unnd gebrauch nichts ab-
gebrochen oder benomen sein. Es sollen auch die el-
tern, vatter unnd muter, diser ursach halben die
kinder zuennterben nit macht haben, sonnder inen
ir gebeurende erbgrechtigkait unverhindert verfol-
gen51 unnd biß auff ir, der eltern, absterben beleiben
unnd wartten lassen.
Wir setzen, ordnen unnd wöllen auch in obver-
meltem jetzigem fal, wa sich zutrieg, das dise zway
vermaint eegemächit auß oberzelten oder andern
ursachen durch unsere |26| gesetzte eerichter von
ainandern erkennt unnd die vermaint ehe zwischen
inen auffgehept wurde, es weren unnder den weibs
personen witwen oder junckfrawen, unnd nachmals
die mans personen, so also von inen der ee halb ab-

48 Deutliche.
49 Ungesperrt, unverhindert.
50 Des Nießbrauchs.
51 Aushändigen.

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