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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0509
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6. Zuchtordnung 1546

theurer auß der hannd zu karten, im brett, kögel-
blatz80 oder anndern ortten zuspylen, dann wölche
das übertretten, werden unsere verordnete zucht-
herrn darumben in gepeurlich straff, unablässlich
zubezalen, nemen. Deßgleichen wöllen wir auch, das
neben allen spylen von andern, so darhinder stann-
den, gar dhain gewött81 beschehen sölle, auch bey
gepeurlicher straff der zuchtherren.
Darneben wöllen wir alle kurtzweilige spyl unnd
gesellschafften, so nit von des gewins, sonnder allain
von kurtzweil wegen gebraucht wurden, doch zu
zimlicher zeit unnd auch nit höher dann umb ain
haller oder pfening, darmit nit verpotten haben. Wa
aber die spyler das spyl gebieten82 wolten, soll jedem
nit mer dann ain | 44| gepott unnd dasselbig auch nit
höher dann umb ain haller oder pfening zugelassen
unnd erlaupt sein.
Item was anndere spyl, so die bipaper83 unnd
lanndtstraiffer allenthalben sich gebrauchen oder so
frembd personen oder die unnsern one unnser er-
lauptnus ettliche klainot oder gewinnen zum kegel-
riß84 oder würffel spyl außgeben wölten, das soll al-
les abgethon sein unnd im fal, so darwider gehann-
delt, von uns oder den zuchtherrn ernstlich nach ge-
stalt jeder sach gestrafft werden.
Wir wöllen auch, das unnder den predigen, zu
wölcher zeit im tag die gehalten und zu nacht nach
neun urn, dhain spyl, weder umb wenig noch vil, in
unnser statt und oberkaiten gestattet noch gehalten
werden, dann wa sollichs übergangen und wir das
erfaren, wurden wir dieselbigen nach gelegenhait

unnd an dem anndern tag bey kainer hochzeit, weder
tags noch nachts getanntzet werden.
Es möcht aber auch ain danntz bey ainer hochtzeit so
unnzüchtig oder unerber fürgeen oder so lang weren, wir
wurden dargegen mit straff auch gepuerenndt einsehen
thun. Wurde aber ainer oder aine, in was weg das were,
darwider hanndlen, die wellen wir unns nach gestalt der
sachen unnd des verschuldens zustraffen vorbehalten ha-
ben.
Dergleichen sollen die zuchtigen rayenlieder [= Reigen-
lieder] zu singen [ZuchtO 1550 gestrichen: doch nit ann-
derst noch lennger dann wie volgt] zugelassen unnd er-
laupt sein [ZuchtO 1550 gestrichen: also das nit lennger
dann bis acht ur gerayet unnd dartzu], doch nit zu spatt,
und das auch züchtige unnd [fehlt ZuchtO 1555] erbare
[ZuchtO 1550 gestrichen: lieder] unnd khain unngepür-

und gestalt jeder sachen ernstlich straffen. | 45|
Item alle württ, zunfft- unnd stubenknecht, deß-
gleichen auch all andere unsere burger und under-
thonen soll dhain dermassen verpottne spyl in iren
stuben oder behausungen gestatten, dann bey wöl-
chem sollichs erfaren, die sollen gleichermassen wie
die jhenigen, so gespilt, nach außweisung diser unn-
serer fürgenomnen zuchtordnung gestrafft werden,
es were dann, das sy für sich selbs die jhenige, so
also verbottne spyl getriben und über ire warnungen
darvon nit hetten lassen wöllen oder über die ver-
bottne zeit85 gesessen, unnsern verordneten zucht-
herrn hetten angezeigt.
Den kindern und jungen knaben ist nit weiter
dann mit nussen, dopfen86 oder klugkern87, doch gar
umb dhain gelt, weder haller noch pfening, zu spy-
len erlaupt, unnd auch annderer gestalt dasselbig
nit, dann das sy dardurch an besuchung der kirchen,
in allem schuldigen gotzdienst unnd ordnungen,
dergleichen auch iren schul- |46| stunden unnd
leer[n]ung irer lection in iren heusern dardurch nit
versaumpt werden, auch bey sonnderer straff unn-
serer zuchtherren. Wa auch vatter unnd muter,
vögt, pfleger unnd fürmünder der kinder so farlässig
weren, das sy iren kindern vergonnen wölten, umb
gelt zu spylen, dieselbigen, ire eltern unnd obern,
wöllen wir insonderhait darumb in straff nemen.
Wa wir aber erfaren wurden, das jemandts ge-
varlicher weise den alten oder jungen zu spylen in
seiner behausung (weither dann die obvermelt ord-
nung außweißt) underschlauff88 geben unnd die wi-

liche, unzüchtige noch schmachlieder, darinn jemandts,
gaistlichs ald weltlichs standts personen, angetascht wer-
den, weder bey den rayen noch sonst weder tags noch
nachts gesungen werden söllen.
80 Kegelplatz, Ort, an dem man Kugeln wirft, evtl. Spiel-
brett, Grimm, DWb 11, Sp. 392.
81 Wetten.
82 Gemeint ist: zum Wetten freigeben.
83 Herumziehende Krämer, die ihre Waren durch Ausspie-
len anzubringen suchten, DRW II, Sp. 574.
84 Kegelbahn, vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 393.
85 Nach der Sperrstunde.
86 Kreiseln, Grimm, DWb 21, Sp. 836.
87 Kugeln, Murmeln.
88 Unterschlupf.

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