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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0526
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Ravensburg

11. Mandat zur Toleranz zwischen Katholiken und Protestantena
11. Juni 1610

N. N. anzuzaigen:
Demenach donnerstag1, den 10. Junii anno etc.
1610 von einem ers[amen] rathe alhie gemeiner bur-
gerschafft ein ernstlich decret offentlich für- und ab-
gelesen, auch darinnen mandiert und befolhen wor-
den, das, obschon vor diser zeit, benantlichen einem
jar2, vorgemelter ein ers. rath jedermenigclichen bei
erzaigtem schwürigen wesen dahin erinnern und er-
mahnen lassen, guete, fridliche correspondenz und
einigkeit zwischen baiden religionen zuhalten und
zupflantzen, so befinde sich doch im gegenspül, das
sollches ernstliches mandat (nit mit irer geringen
empfindtlicheit) wenig zu gemüeth gezogen und be-
dacht worden seye.
Seitenmalen aber jetzig ervolgter vil und der
mehrer thail aller fürgeloffnen unainigkeit und zer-
rüttung ausser den predigen fürlauffendt, vor augen
schwebender conspirationen, conjurationen, betrö-
ungen, auch anderer unzuläßlicher heimblicher im
Röm[ischen] Reich verbottner verbindtnuß und rot-
tierungen ursprinkhlich herfluessen und erwachsen
wöllen, | allß hat erstermelter ein ers. rath bei ge-
stalltsame der sachen lenger nit innhalten und zu-
sehen sollen, sonder will hiemit auch absönderlich
neben widerholung vorgesterigen mandats3 die
herrn prediger sampt und sonders nochmahlen
ernstlich dahin obligirt und verbunden haben, das
sie anjezo und hinfüro inskünfftig allwegen sich in
ihren predigen und sonsten überal allzeit beschai-
denlich, fridfertig und behuetsamb bei außlegung
deß texts hallten und finden lassen sollen, unnd da-
bei sich alles injurierens, schenden, schmehens, tu-
multuierens, ergerlichen zuredens und verhetzens
gentzlich enthalten und abthuen, sonder die ander

a Textvorlage (Handschrift): StadtA Ravensburg Bü
487c/2.

1 Der 10. Juni 1610 fiel nicht auf einen Donnerstag son-
dern auf einen Samstag.

religion rüewiglich, unangetascht und bezüchtiget
verpleiben und das ihrig verthedingen lassen, in-
massen dann auch von einem ers. rath, den röm.
catholischen gegen den evangelischen auch gleich-
falß zuerzaigen, fürsehung beschehen, dann welcher
under den herrn predigern, ein oder der ander, | solch
ernstlichen befelch übertretten und gepürlich nit re-
spectieren, auch ein ers. rath von einem oder allen
solches mörckhen, erfahren und innen würden, dem-
selben oder all andern soll hiemit die straff under
augen verkhündt und gesetzt sein, das sollcher deß
burgerrechts beraubt, von stundan ausser der statt
ober- und gerichtparkheit gestrafft und zu ewig zeitt
nicht mehr darein gelassen werden solle. Darnach
wüsse sich ein jeder der herrn predigern zurichten,
auch vor schaden, nachtail und der straff zuehueten,
dann nochmals ein ers. rath deß gemüets und wil-
lens, das die prediger jedermenigclich unveracht,
unschumpfiert und, mit allerhandt zuclagen, unver-
schmitzt bleiben lassen, zuvorderst acht geben, das
gemeine burgerschafft durch ire predigen in gueter,
fridlicher einigkeit bei- und miteinandern zuleben,
zuwohnen und zupleiben adhortiert werden.
Actum et decretum in consilio 11. Iunii anno etc.
1610
[Rückvermerk:] Herrn burgermeister und rath ge-
ben deß Heyl. Röm. Reichs statt Ravenspurg de-
cret, Freitag4, den 11. Iunii anno etc. 1610 ergangen
und jedem herrn prediger insonderheit allhie zuge-
stellt werden solle.
1585, den 17. Maii erstmahls publiciert5

2 Siehe oben, S. 468 Anm. 107.
3 Liegt nicht vor.
4 Der 11. Juni war ein Sonntag, siehe Anm. 1.
5 Siehe oben, Nr. 8.

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