Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0530
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Wimpfen

tet.15 Dies hängt in erster Linie mit den Besonderheiten der Quellenüberlieferung zusammen. Der Bestand
im Stadtarchiv Bad Wimpfen weist große Lücken für die Zeit des 16. Jahrhunderts auf, die Überlieferung
massiert sich jedoch anlässlich bestimmter, für die Reformationsgeschichte entscheidender Ereignisse in den
Jahren 1566, 1570/71, 1588 und 1595/96. Die Akten des Wimpfener Pfarrarchivs, die sich im Landeskirch-
lichen Archiv Stuttgart befinden, enthalten hingegen kaum Stücke aus dem 16. Jahrhundert.
Zu den hier edierten Texten aus Wimpfen zählen auch zwei Mandate Kaiser Maximilians II. Obwohl
kaiserliche Mandate nach den Kriterien dieser Edition nicht zum Kreis der Kirchenordnungen gehören,
wurden sie als Ausnahmefall dennoch berücksichtigt, da sie wichtige Weichenstellungen für die evangelische
Gemeinde der Reichsstadt dokumentieren, aus denen sich schließlich die Wimpfener Bikonfessionalität
entwickelte.

2. Reformatorische Bewegung und Rückkehr zur alten Lehre 1523-1542
Die Wimpfener Klosterchronik berichtet über die Anfänge der evangelischen Bewegung in der Stadt: Im
Jahr 1523 hat das verflucht Lutherthumb leider allen geistlichen zum Abfall Thür und Thor aufgesperrt.16 Graf
Johann Casimir von Pfalz-Simmern (1543-1592) bewertete das Ereignis gegenteilig: Anno 1530 ist die
reformation hier zu Wimpffen angegangen und hat einen solchen glücklichen success gehabt, das schon vor den
40. jahren das heyl. evangelium öffentlich gelehret und geprediget worden. Der erste pfarrer ist gewesen M. Er-
hart Schnepff.17 Der aus dem benachbarten Heilbronn stammende Lutheranhänger Erhard Schnepf18 pre-
digte seit 1523 in Wimpfen, er gilt als Wegbereiter der Reformation in der Reichsstadt. Der Bauernkrieg,
dessen blutige Auseinandersetzungen 1525 auch in unmittelbarer Nähe von Wimpfen stattfanden, verhin-
derte jedoch, dass sich die reformatorische Bewegung etablieren konnte. Der Bauernaufstand wurde nie-
dergeschlagen und die Position der Altgläubigen in der Reichsstadt - vor allem in den machtpolitisch
einflussreichen Gremien - gestärkt. So besann sich auch der Magistrat auf die Sicherung einer reichstreuen,
altgläubigen Haltung.19 Als Folge der antireformatorischen Stimmung nach dem Bauernkrieg verließen
zahlreiche Evangelische, Humanisten und Gelehrte die Stadt, unter ihnen 1526 auch Erhard Schnepf, der
als Prediger in die Dienste der Grafen von Nassau trat.20 Auf dem Speyerer Reichstag von 1529 schloss sich
Wimpfen dann auch nicht den protestierenden Ständen an, sondern unterzeichnete 1530 den Abschied des
Augsburger Reichstags.
Die Ereignisse des Bauernkriegs hatten in Wimpfen zur Unterdrückung der reformatorischen Bewegung
geführt. Obwohl Erhard Schnepf 1525 die Tochter des Wimpfener Bürgermeisters geheiratet hatte und
somit auf einen gewissen Rückhalt in der Führung der Stadt zählen konnte, war es ihm nicht gelungen, eine
solide, auch in den städtischen Führungsgremien verankerte evangelische Gemeinde aufzubauen, aus deren
Reihen die Durchsetzung der Reformation hätte weiter befördert werden können.21 Dass die evangelische
Bewegung in Wimpfen nach Schnepfs Weggang 1526 in sich zusammenfiel, belegt zudem, wie wichtig

15 Weismann, Katechismen, S. 572 Anm. 247;
Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 76.
16 Zitiert nach Frohnhäuser, Wimpfen, S. 154.
17 Beschreibung vom 6. Oktober 1589, StadtA Bad Wimp-
fen L IV, A 6, vgl. Frohnhäuser, Wimpfen, S. 155.
Die angegebene Jahreszahl 1530 stimmt allerdings mit
den übrigen Quellen nicht überein, sie muss 1523 lauten.
18 Endriss, Phasen, S. 295; Tre 30, S. 233ff.; RGG3 5
Sp. 1467; RGG4 7, Sp. 945; Ehmer, Schnepf, S. 76;

Frohnhäuser, Wimpfen, S. 153; Hartmann,
Schnepff, S. 2-8; ADB 32, S. 168-172; Diehl, Refor-
mationsbuch, S. 403f.
19 Endriss, Phasen, S. 298ff.
20 Endriss, Phasen, S. 299-302; Neumaier, Wimpfen,
S.155.
21 Endriss, Phasen, S. 298-301; vgl. Hafer, Bauern-
krieg, S. 291-314; Brecht/Ehmer, Reformationsge-
schichte, S. 76.

510
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften