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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0556
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Leutkirch

Geistlichen finanziell nicht leisten.12 In Leutkirch konnte die neue Lehre also nicht durch einen einflussrei-
chen Prediger verbreitet werden. Hinzu kam, dass die bestehende Predigerstelle an St. Martin 1514 auf
Bitten des Rates vom Kloster Stams mit dem aus Leutkirch stammenden Johannes Fabri (1478-1541)13
besetzt worden war. Fabri war Doktor beider Rechte und besaß bereits die Pfarrpfründe in Lindau, als er
eine steile Karriere begann: 1518 war er Generalvikar des Bistums Konstanz, Papst Leo X. verlieh ihm den
Titel eines Protonotars, 1528 wurde er Koadjutor von Theoderich Kammerer, dem Bischof von Wiener
Neustadt, und von 1530 bis zu seinem Tod 1541 amtierte er als Bischof von Wien. Während seiner gesamten
Laufbahn war Fabri im Besitz der Leutkircher Pfarrpfründe, die er stellvertretend durch Ulrich Frey-
herr14, Sohn des Leutkircher Bürgermeisters Melchior Freyherr, versehen ließ.15 Wie Fabri war auch Frey-
herr ein entschiedener Gegner der Reformation. Nicht nur durch diese personelle Konstellation an St.
Martin, sondern auch durch die Briefe, die Fabri an den Leutkircher Rat schrieb, nahm er aus der Ferne
Einfluss auf das Geschehen in seiner Heimatstadt.16 Vor allem die Persönlichkeit Johannes Fabris, der
durch seinen Aufstieg großes Ansehen in der Stadt genoss, dürfte verhindert haben, dass die politische
Führungsschicht den reformatorischen Umbruch wagte.17

3. Einführung der Reformation 1545/46
Erst nach dem Tod der beiden einflussreichen Persönlichkeiten Johannes Fabri und Ulrich Freyherr 1541
bzw. 1545/46 eröffnete sich für die evangelische Gemeinde die Möglichkeit, beim Rat die Einführung der
Reformation zu forcieren.18 Noch während des Schmalkaldischen Krieges, kam es zu einem Aufruhr unter
der Bürgerschaft, die auf die Anstellung eines evangelischen Predigers drängte.19 Der Rat stimmte schließ-
lich zu, dass Georg Degelin, Pfarrer im benachbarten Reichenhofen, evangelische Gottesdienste feierte.
Zudem stellte er die beiden Konstanzer Prädikanten Johann Schnell und Johann Jung für einige Zeit an; im
März 1547 kam außerdem der Prediger Hans Schallheimer aus Memmingen nach Leutkirch.20 Ins Franzis-
kanerinnenkloster schickte der Rat einen evangelischen Prediger.21 Unter diesem Druck verließen die alt-
gläubigen Geistlichen die Stadt und begaben sich ins nahe gelegene Wuchzenhofen, das der Landvogtei
unterstand.22 Ein Memoriale über die Einführung der Reformation in Leutkirch, das vor dem Hintergrund
des Restitutionsedikts 1629 angefertigt wurde, hält die Ereignisse fest:

12 Schäfer, Entwicklung, S. 221; Eberle, 400 Jahre,
S. 8.
13 Zu Johannes Fabri siehe Angst, Fabri, S. 285-295; Im-
menkötter, Fabri, S. 90-97; Gatz, Bischöfe,
S. 175-177; TRE 10, S. 784-788; Blickle, Werbend für
den Kaiser, S. 263-274; Hösch, Fabri-Dokumente,
S.275-284.
14 Zu Ulrich Freyherr siehe Loy, Leutkirch, S. 178-185;
Eberle, 400 Jahre, S. 9f.
15 Roth, Geschichte II, S. 28-56; Vogler, Leutkirch,
S. 52f. Nach Fabris Tod 1541 wurde Freyherr bis zu sei-
nem eigenen Tod (vermutlich 1545) Pfarrpfründeninha-
ber.
16 Litz, Bilderfrage, S. 274; Blickle, Werbend für den
Kaiser, S. 270-274.
17 Angst, Frauenkloster, S. 42; Roth, Geschichte I,
S. 200f.; Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte,

S. 185; Vogler, Leutkirch, S. 53f.; Litz, Bilderfrage,
S. 274; Schäfer, Entwicklung, S. 219f.
18 Eisele, Leutkirch, S. 689; Schäfer, Entwicklung,
S. 222.
19 Schäfer, Entwicklung, S. 219.
20 Roth, Geschichte I, S. 204; Schäfer, Entwicklung,
S. 222; Litz, Bilderfrage, S. 274; Tüchle, Reichs-
städte, S. 67f.; Eberle, 400 Jahre, S. 10.
21 Roth, Geschichte I, S. 204f. Die Nonnen wehrten sich
gegen die evangelische Predigt: da habend sy unsere alten
schwesteren gar vill miesen genietten, das man sy auch
darzu hat wellen zwingen, das sy auch in die lautterischen
predig gangend, Hösch, Chronik, S. 33, vgl. ders.,
Frauenkloster, S. 44.
22 Roth, Geschichte I, S. 203; Tüchle, Reichsstädte,
S. 67.

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