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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0558
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Leutkirch

In dieser Auseinandersetzung zwischen Magistrat und Abt um die Nutzung der Martinskirche durch die
Evangelischen28 kam man nach langwierigen Verhandlungen 1562 schließlich zu einer Einigung: Am
27. April schlossen Bürgermeister und Rat von Leutkirch mit Abt Gerwig einen 10 Artikel umfassenden
Vertrag, in dem sie im Namen der Evangelischen auf die Nutzung der Pfarrkirche verzichteten. Im Gegen-
zug verpflichtete sich der Abt, die Protestanten an ihrem Gottesdienst in der Spitalkirche nicht zu hindern.
Daneben wurde geregelt, aus welchen Vermögensfonds die evangelischen und katholischen Geistlichen sowie
die Lehrer entlohnt werden sollten.29 Dieser Vertrag, der eine mehrheitlich evangelische und eine kleine
katholische Gemeinde in Leutkirch erkennen lässt, wurde von beiden Seiten eingehalten und in den folgen-
den Jahren durch zahlreiche Neuauflagen immer wieder bestätigt.
Die Spitalkirche (heute Gedächtniskirche) wurde 1589 aufgrund der wachsenden evangelischen
Gemeinde erweitert. Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts reichte der Raum jedoch nicht mehr aus, so dass
aus Stiftungsmitteln der evangelischen Gemeinde ein Neubau - eine Saalkirche ohne Chor - errichtet und
1615 bezogen wurde.30

2. Ratsentscheid für den Schulmeister 18. Februar 1569 (Text S. 543)
Einen kleinen Einblick in die Modalitäten der evangelischen Gottesdienstfeier in Leutkirch und den
Umgang mit den Kasualien erhält man durch eine in den Ratsprotokollen überlieferte Anweisung für den
Lateinschulmeister. Dieser wurde 1569 nicht nur verpflichtet, den Schulunterricht zu halten, sondern auch,
für den Fall, dass der Pfarrer verhindert war, in der Kirche das Abendmahl zu reichen, Kinder zu taufen
sowie Kranke zu besuchen.

Zur Leutkircher Kirchenordnung
Hinsichtlich einer Leutkircher Kirchenordnung findet sich in den Ratsprotokollen lediglich der Hinweis,
dass der Rat die beiden Prediger Georg Schemmer und Johann Graf am 14. Januar 1586 aufforderte, einen
Entwurf hierfür anzufertigen: Wie und was gstalt sy, bede herrn, aber das predigampt anrichten und versechen
sollen, ist inen zum theil bevelch gegeben, darbei aber auch angezaigt worden, das sy ain ordnung in schrifften
verfassen und vergreiffen, welcher gestalt ain kürchen regiment fürzenemen und zuerhalten sein möcht, so sy
meinen herrn innerhalb 14 tagen fürlegen und darüber irer resolution und beschaydts erwarten sollen.31
Ob und in welcher Weise die beiden Geistlichen dieser Aufforderung nachkamen, ist nicht bekannt. In
den Ratsprotokollen erscheint erst am 1./11. Juni 1649 ein Eintrag, der die Kirchenordnung betrifft. Hier
heißt es im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung in Ehesachen: Weilen aber hiebey ein nahe schwa-
gerschafft zugleich unterlaufft, zumahlen herr M. Bernhardt Müller, pfarrer alhier, berichtet, das man sich alhier
nach der württembergischen kirchenordnung32 reguliere, wie man auch deren catechismum gebrauche, also er
seines thails hiezu nicht rathen könne.33
Die Reformation in Leutkirch folgte nach anfänglich oberdeutscher Ausprägung nach dem Interim
offensichtlich immer mehr der Wittenberger Theologie. Mitte des 17. Jahrhunderts waren die von Johannes
Brenz entworfene württembergische Kirchenordnung und sein Katechismus in Gebrauch. Da der Magistrat

28 Zu der Auseinandersetzung siehe Roth, Geschichte I,
S. 217-245.
29 Kramer, Simultanverhältnisse, S. 195; Tüchle,
Reichsstädte, S. 69; Schäfer, Entwicklung, S. 225;
Krimmer, Kirche, S. 242f.; Eberle, 400 Jahre, S. 13.
30 Vogler, Leutkirch, S. 55f.; Schäfer, Entwicklung,

S. 225f.; Eberle, 400 Jahre, S. 14-16; Böttinger, 450
Jahre, S. 17-21.
31 StadtA Leutkirch Ratsprotokolle, B 12, fol. 139.
32 Württembergische Kirchenordnung von 1553, Abdruck
in: Sehling, EKO XVI, S. 223-276.
33 StadtA Leutkirch Ratsprotokolle B 41, p. 76.

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