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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Breitenstein, Mirko: Die Verfügbarkeit der Transzendenz: Das Gewissen der Mönche als Heilsgarant
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0041
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40 | Mirko Breitenstein
sensbildung. ¹¹ Voraussetzung einer solchen Differenzwahrnehmung ist jedoch ein
konkretes Wissen um den moralischen Wert von Handlungen oder Strebungen im
Sinne der grundsätzlichen Unterscheidung von »gut« und »böse«. Ein aus Angst
erwachsenes Gewissen setzt somit immer den Vergleich des Eigenen mit einem Anderen
voraus; es transzendiert vom Menschen zu einem allgemeinen moralischen
Maßstab. Durch diesen Bezug auf eine gegebene Ordnung kommt dem Gewissen
damit für den Menschen eine sinnstiftende Funktion zu.
Besonders eindrücklich lässt sich dieser Zusammenhang von aus Schuldgefühlen
resultierender Angst und Gewissensbildung im anonymen Traktat De conscientia
feststellen: In diesem als Brief formulierten Text betont der Verfasser gegenüber
seinem Adressaten gleich zu Beginn, dass er selbst ein außerordentlicher Sünder
sei, infolgedessen kaum noch Lebenskraft in ihm zu finden wäre. ¹² Die conscientia
als solche wird hier unmittelbar mit dem peccatum verknüpft, da es geradezu
Kennzeichen einer bona conscientia sei, vergangene Sünden zu bestrafen, und davor
zurückzuweichen, etwas Strafwürdiges zu begehen. ¹³ Natürlich kann das Bewusstsein
der eigenen Sündhaftigkeit allein nicht genügen, um eine conscientia zu bilden;
nötig ist zudem der Wille des Menschen, gegen die Sünde anzukämpfen. Jede der
immerhin vier im Text erwähnten Formen der conscientia sei daher ein aus dem
Willen entspringender Fluss. ¹⁴
Die fundamentale Bedeutung des Willens für die Entwicklung des Gewissens
kommt auch im Traktat »Vom inneren Haus« deutlich zum Ausdruck: Der gute
Wille sei, so heißt es hier, nicht nur das grundlegende Prinzip der Gewissensbildung,
weil mit ihm alles beginne, ¹⁵ sondern auch das bedeutendste, weil der Mensch
von ihm keinen materiellen Vorteil habe. ¹⁶ Nach Gegenstand und Intensität des
Wollens lasse sich proportional auch der Verdienst eines Menschen berechnen, wie
der Text weiter ausführt; doch müsse dem Wollen ein Handeln folgen, damit es
11 Vgl. zu diesem Spannungsverhältnis jetzt Gert Melville, Im Spannungsfeld von religiösem Eifer und
methodischem Betrieb. Zur Innovationskraft der mittelalterlichen Klöster, in: Denkströme. Journal der
Sächsischen Akademie der Wissenschaften 7, 2011, S. 72– 92.
12 Peccator enim sum, et ultra modum peccans peccator, et ingenii vivacitas ullum in me non habet locum.
Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), Prolog, Sp. 553.
13 Bona namque conscientia est, quae et praeterita peccata punit, et punienda committere refugit […].
Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 2, Sp. 554. Identisch auch in Tractatus de interiori domo (wie
Anm. 5), cap. 9, 16, Sp. 515. Vgl. unten Anm. 45.
14 Hi sunt quatuor conscientiarum rivi de voluntatis fonte currentes […]. Tractatus de conscientia (wie
Anm. 4), cap. 5, Sp. 558. Zu den Arten der conscientia vgl. unten bei Anm. 26, 35 f.
15 Primum est, quia a bona voluntate bonum omne inchoatur. Tractatus de interiori domo (wie Anm. 5),
cap. 2, 6, Sp. 511.
16 Principale est, quoniam bona voluntate nihil hominibus utilius datur. Tractatus de interiori domo (wie
Anm. 5), cap. 2, 6, Sp. 511.
 
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