42 | Mirko Breitenstein
Cellensis. ²³ Sein Ziel, so kann man ergänzen, ist, zum Zentrum der eigenen Person,
zum Selbst vorzustoßen. Als Form der Selbstthematisierung bezeichnet conscientia
nicht nur das Zentrum des menschlichen Bewusstseins, sondern zugleich auch das
methodische Verfahren, um zu eben diesem Zentrum zu gelangen. Conscientia und
sapientia gehen, wie Petrus Cellensis betont, im Gleichschritt. ²⁴
Ein so verstandenes Gewissen ist dabei nicht statisch. Es besitzt vielmehr ein
hohes Maß an Dynamik, indem es Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des
Menschen nicht nur thematisiert, sondern beständig versucht, das Verhältnis dieser
Zeitschichten vor dem Hintergrund der angesprochenen Grundspannung von Sein
und Sollen neu zu bestimmen. Es galt, die Erfahrung göttlicher Vollkommenheit
in Bezug zum eigenen, als defizitär verstandenen Status zu setzen ²⁵ und die erlebte
Differenz in einer Weise zu bewältigen, die nicht in Resignation führte, sondern
auf das Heil hin orientierte. Als Ort sowohl der Differenzerfahrung als auch von
deren Bewältigung wurde das Gewissen verstanden. Sich auch unter der Voraussetzung
irdischer Existenz einen Transzendenzbezug zu schaffen, lag somit in der
Verantwortung des Mönchs. Nur so war es ihm möglich, im Streben nach der Vollkommenheit
seines absoluten Ziels auch in Anbetracht der nur unvollkommenen
diesseitigen Bedingungen nicht nachzulassen. Dies nämlich war nach allgemeinem
Verständnis seine Aufgabe: Verantwortung für die Welt zu tragen, indem er sich
selbst über die Welt erhob.
Arten des Gewissens
Bei den bisher genannten Punkten handelt es sich in erster Linie um solche, die
einer rein formalen Bestimmung der conscientia dienen, ohne dass schon eine Aussage
über die Qualität des Gewissens getroffen wurde. Bereits der Umstand, dass
in zwei der drei Texte systematisch je eigene Arten des Gewissens unterschieden
werden, weist darauf hin, dass conscientia an und für sich noch nicht gut ist. Was
im Einzelnen unter einer bona conscientia verstanden wurde, möchte ich an dieser
Stelle noch ein wenig zurückstellen und zunächst die in den Quellen benannten
Arten als solche aufzählen.
23 Pellem pro pelle et omnia quae habet homo dabit pro conscientia sua. Petrus Cellensis, De conscientia
(wie Anm. 1), S. 196.
24 Sed aequis oassibus ad mentem veniunt sapientia et conscentia, ut numquam veniat sapientia sine
conscien tia, numquam conscientia sine sapientia. Petrus Cellensis, De conscientia (wie Anm. 1), S. 196.
25 Vgl. Melville, Im Spannungsfeld (wie Anm. 11), S. 76.
Cellensis. ²³ Sein Ziel, so kann man ergänzen, ist, zum Zentrum der eigenen Person,
zum Selbst vorzustoßen. Als Form der Selbstthematisierung bezeichnet conscientia
nicht nur das Zentrum des menschlichen Bewusstseins, sondern zugleich auch das
methodische Verfahren, um zu eben diesem Zentrum zu gelangen. Conscientia und
sapientia gehen, wie Petrus Cellensis betont, im Gleichschritt. ²⁴
Ein so verstandenes Gewissen ist dabei nicht statisch. Es besitzt vielmehr ein
hohes Maß an Dynamik, indem es Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des
Menschen nicht nur thematisiert, sondern beständig versucht, das Verhältnis dieser
Zeitschichten vor dem Hintergrund der angesprochenen Grundspannung von Sein
und Sollen neu zu bestimmen. Es galt, die Erfahrung göttlicher Vollkommenheit
in Bezug zum eigenen, als defizitär verstandenen Status zu setzen ²⁵ und die erlebte
Differenz in einer Weise zu bewältigen, die nicht in Resignation führte, sondern
auf das Heil hin orientierte. Als Ort sowohl der Differenzerfahrung als auch von
deren Bewältigung wurde das Gewissen verstanden. Sich auch unter der Voraussetzung
irdischer Existenz einen Transzendenzbezug zu schaffen, lag somit in der
Verantwortung des Mönchs. Nur so war es ihm möglich, im Streben nach der Vollkommenheit
seines absoluten Ziels auch in Anbetracht der nur unvollkommenen
diesseitigen Bedingungen nicht nachzulassen. Dies nämlich war nach allgemeinem
Verständnis seine Aufgabe: Verantwortung für die Welt zu tragen, indem er sich
selbst über die Welt erhob.
Arten des Gewissens
Bei den bisher genannten Punkten handelt es sich in erster Linie um solche, die
einer rein formalen Bestimmung der conscientia dienen, ohne dass schon eine Aussage
über die Qualität des Gewissens getroffen wurde. Bereits der Umstand, dass
in zwei der drei Texte systematisch je eigene Arten des Gewissens unterschieden
werden, weist darauf hin, dass conscientia an und für sich noch nicht gut ist. Was
im Einzelnen unter einer bona conscientia verstanden wurde, möchte ich an dieser
Stelle noch ein wenig zurückstellen und zunächst die in den Quellen benannten
Arten als solche aufzählen.
23 Pellem pro pelle et omnia quae habet homo dabit pro conscientia sua. Petrus Cellensis, De conscientia
(wie Anm. 1), S. 196.
24 Sed aequis oassibus ad mentem veniunt sapientia et conscentia, ut numquam veniat sapientia sine
conscien tia, numquam conscientia sine sapientia. Petrus Cellensis, De conscientia (wie Anm. 1), S. 196.
25 Vgl. Melville, Im Spannungsfeld (wie Anm. 11), S. 76.