Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI article:
Köpf, Ulrich: Annäherung an Gott im Kloster
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0065
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
64 | Ulrich Köpf
In der Theologie der Alten Kirche lebte dieser Gedanke einer ὁμοίωσις fort: zwischen
dem schwächeren, biblisch begründeten einer Nachfolge Christi (ἀκολουθεῖν
sequi) und dem stärkeren einer – meist sakramental gedachten – »Vergottung«
(θεοποιεῖσθαι deificari). Hier können die altkirchlichen Anschauungen nicht näher
dargelegt werden. Doch die drei genannten Möglichkeiten lassen wenigstens die
Breite ahnen, in der sich die Vorstellungen einer Annäherung an Gott bewegen,
wobei in der östlichen Christenheit besonders der Gedanke einer sakramentalen,
wesensmäßigen Einung fortlebt, im Abendland jedoch der einer willensmäßigen
Annäherung und Einung dominiert.
Die Mönche des Mittelalters als Erben der philosophischen Lebensform der Antike ³
haben das Ideal einer Nachfolge Christi mit dem platonischen Modell der ὁμοίωσις
θεῷ verbunden, auch wenn sie sich seines Ursprungs in der vorchristlichen Antike
gewiss nicht immer bewusst waren. Ihre Bemühung um Annäherung an Gott war
überhaupt selten theoretisch reflektiert. Diese Annäherung war für sie das höchste
Ziel einer Lebenspraxis, deren elementare Vollzüge zumeist ihre ganze Zeit und
Kraft in Anspruch nahmen. Die klösterliche Lebenspraxis besteht seit ihren Anfängen
im Wesentlichen aus zwei großen Komplexen: dem gemeinsamen Gebet und
der individuellen Askese, zu der auch die Arbeit zählt. Diese soll nicht nur den Lebensunterhalt
sichern, sondern zugleich vor schädlichem Müßiggang schützen. Die
jahrhundertelange Erfahrungen zusammenfassende Benediktsregel teilt die heilsame
Tätigkeit der einzelnen Mönche in Arbeit mit den Händen (labor manuum)
und die regelmäßige geistliche Lektüre (lectio divina) ein. ⁴ Wie deutlich hier auch
das Lesen unter dem Vorzeichen einer der Trägheit und Lässigkeit entgegenwirkenden
Beschäftigung steht, zeigt sich einerseits daran, dass es für die Quadragesima
(die vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern) in besonderer Weise vorgeschrieben wird ⁵
und dass denen, die dazu nicht willens oder fähig sind, irgendeine andere Tätigkeit
aufgetragen werden soll, die ihren Müßiggang verhindert. ⁶ Alles, was der Mönch
tut, steht nach der Regel in Beziehung zu Gott. Wie das gemeinsame liturgische
Gebet der Horen ein Dienst an Gott (Opus Dei) im wörtlichen Sinne ist, so for-
Über Plotins Leben und über die Ordnung seiner Schriften. Text, Übersetzung, Anmerkungen (Philosophische
Bibliothek 215c), Hamburg 1958, cap. 130 f., S. 54.
3 Vgl. z. B. Jean Leclercq, Études sur le vocabulaire monastique du moyen âge (Studia Anselmiana 48),
Rom 1961, besonders S. 39 –70.
4 Regula Benedicti cap. 48, 1, S. 144. Ich benutze die Ausgabe: Regula Benedicti. Die Benediktusregel. Lateinisch/Deutsch,
hg. von Basilius Steidle, 2. Aufl. Beuron 1975.
5 Regula Benedicti (wie Anm. 4), cap. 48, 14 –16, S. 144/146.
6 Regula Benedicti (wie Anm. 4), cap. 48, 23, S. 146.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften