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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Köpf, Ulrich: Annäherung an Gott im Kloster
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0068
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Annäherung an Gott im Kloster | 67
gen mit Königtum und Adel, Politik und Wirtschaft das benediktinische Mönchtum
von Anfang an in allzu große räumliche und dann auch innere Nähe zur übrigen
Welt. Seit dem frühen 11. Jahrhundert entwickelte sich eine Gegenbewegung, die
sich an der Tradition der Wüstenväter orientierte: eine neue Form des Eremitentums,
die anachoretische Tendenzen des Rückzugs aus der bewohnten Welt auch
konsequent auf Koinobien anzuwenden suchte.
Am eingehendsten reflektierten die Zisterzienser auf geeignete Klosterorte. In
ihren normativen Gründungsberichten beschreiben sie den Ort des Mutterklosters
Cistercium (Cîteaux) als eine von Menschen gemiedene, nur von Tieren bewohnte
Einöde. ¹⁸ Sie bemühen dafür die Charakterisierung der Wüste als »Ort des Schreckens
und einer weiten Einöde« aus dem Gesang Moses (Dt. 32, 10). ¹⁹ Es ist längst
erkannt worden, dass es sich bei dieser Schilderung um ein Ideal, um einen literarischen
Topos, handelt, der schon in früheren Klostergründungsberichten begegnet.
Wie weit ihm die tatsächliche Situation einzelner Klosterorte entsprach, lässt sich
heute vor allem mit Hilfe archäologischer Untersuchungen feststellen, die meist
ernüchternde Ergebnisse zu Tage fördern. Die Beziehungen zu Stiftern und weitere
politische Voraussetzungen für die Ansiedlung, konkrete Lebensbedürfnisse und
anderes – nicht zuletzt die bereits von der Benediktsregel ²⁰ gebotene und auch von
den Zisterziensern gepflegte Gastfreundschaft ²¹ –, verhinderten eine Isolierung der
Gemeinschaften gegen die »Welt«. Aber die Vorstellung vom idealen Klosterort und
die auch von Außenstehenden bezeugte »Liebe zur Wüste« ²² zeigen doch, unter
welchen äußeren, räumlichen Bedingungen sich nach Meinung der Zisterzienser
die Annäherung an Gott am besten vollziehen kann. Das dem Exordium parvum
inserierte Privilegium Paschalis II. für Cîteaux von 1100 spricht von der quies monastica,
um deretwillen der Ort des Klosters gewählt worden sei. ²³ Um die Distanz
zur Welt mit ihren Ablenkungen zu sichern, haben die Zisterzienser in ihren frühesten
Verfassungsdokumenten nicht nur den Verzicht auf alle wirtschaftlichen Ver-
18 Exordium parvum, in: Les plus anciens textes de Cîteaux. Sources, textes et notes historiques, hg. von
Jean de la Croix Bouton/Jean Baptiste van Damme (Cîteaux – Commentarii Cistercienses. Studia et
documenta 2), Achel 1974, S. 54 – 86, cap. 3, 3, S. 59 f.: Qui locus in episcopatu Cabilonensi situs, et pro
nemoris spinarumque tunc temporis opacitate accessui hominum insolitus, a solis inhabitatur feris.
19 Exordium Cistercii, Summa Cartae Caritatis et Capitula, in: Les plus anciens textes de Cîteaux. Sources,
textes et notes historiques, hg. von Jean de la Croix Bouton/Jean Baptiste van Damme (Cîteaux –
Commentarii Cistercienses. Studia et documenta 2), Achel 1974, S. 110 –125, hier Exordium Cistercii, cap.
1, 7, S. 111: Cistercium devenerunt, locum tunc scilicet horroris et vastae solitudinis.
20 Regula Benedicti (wie Anm. 4), cap. 53, S. 150 –154.
21 Jutta Maria Berger, Die Geschichte der Gastfreundschaft im hochmittelalterlichen Mönchtum. Die Cistercienser,
Berlin 1999.
22 Exordium parvum (wie Anm. 18), cap. 5, 3, S. 62: monachi heremum diligentes; dazu der in cap. 6, S. 63
eingefügte Brief Papst Urbans II.: qui heremum diligunt.
23 Exordium parvum (wie Anm. 18), cap. 14, 5, S. 74.
 
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