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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Köpf, Ulrich: Annäherung an Gott im Kloster
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0077
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76 | Ulrich Köpf
von Seiten des Menschen vor allem durch die Liebe zu Gott bewirkt werde. ⁸⁷ Der
Mensch Gottes werde zwar nicht Gott, aber er werde durch Gnade das, was Gott
von Natur aus ist. ⁸⁸
Gegen Ende seiner den Mönch in schwindelerregende Höhen führenden spekulativen
Darlegungen gebraucht Wilhelm für den Aufstieg des Menschen aber auch
noch eine weit elementarere Formulierung auf der Erkenntnisebene: Der Mensch
beginne, sich selbst vollkommen zu erkennen, durch die Selbsterkenntnis voranzuschreiten
und zur Erkenntnis Gottes aufzusteigen. ⁸⁹ Mit der Formulierung des
Zusammenhangs zwischen Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis greift Wilhelm
einen Gedanken auf, der weit in die Antike zurückgeht, ⁹⁰ aber durch Bernhard von
Clairvaux in besonderer Weise vertieft und zu einem systematischen Strukturprinzip
seines theologischen Denkens gemacht wurde. ⁹¹ In der Auslegung von Cant. 1, 7
entwickelt Bernhard in den eng miteinander zusammenhängenden fünf Hoheliedpredigten
34 bis 38 ⁹² die spannungsvolle Beziehung zwischen Selbsterkenntnis und
Gotteserkenntnis. ⁹³ Selbsterkenntnis sei die notwendige Bedingung für Gotteserkenntnis,
die wiederum Voraussetzung für einen Aufstieg zu Gott bis zur unmittelbaren
Begegnung, der Erfahrung Gottes im Schmecken seiner Süße (Ps. 33, 9),
sei. Mit diesem Vorgang auf der Erkenntnisebene ist eine monastische Grundtugend
aufs engste verbunden: die Demut. ⁹⁴ Bezeichnenderweise lässt Wilhelm von
St. Thierry seine Schilderung des Aufstiegs zu Gott in der elementaren Forderung
nach Demut enden. Voraussetzung für die Schau Gottes, des Unaussprechlichen,
sei das reine Herz eines demütig Liebenden. ⁹⁵ Wir seien zwar ganz und gar unfähig,
Gott durch unser Denken zu begreifen; aber Gott habe Nachsicht mit uns, die wir
87 Guillaume de Saint-Thierry, Lettre (wie Anm. 46), cap. 275, S. 364: Cui bono, amore ipsius boni, sic se
intendit pius affectus, ut non se inde revocet, donec unum vel unus cum eo spiritus fuerit effectus.
88 Guillaume de Saint-Thierry, Lettre (wie Anm. 46), 263, S. 354: cum modo ineffabili, incogitabili, fieri
meretur homo Dei non Deus, sed tamen quod est Deus: homo ex gratia, quod Deus ex natura.
89 Guillaume de Saint-Thierry, Lettre (wie Anm. 46), cap. 289, S. 376: ut incipiat homo perfecte nosse seipsum
et per cognitionem sui proficiendo, ascendere ad cognoscendum Deum.
90 Pierre Courcelle, »Connais-toi toi-même« de Socrate à Saint Bernard, 3 Bde., Paris 1974/1975.
91 Da Bernhard die Hoheliedpredigten 34 –38 bald nach der Rückkehr von seiner dritten Romreise 1138, mit
Sicherheit aber bereits längere Zeit vor den 1143 entstandenen Predigten 65 – 66 verfasst haben dürfte, hat
Wilhelm sie vermutlich von ihm in die 1144 vollendete Epistola aurea (Jean Déchanet in: Guillaume de
Saint-Thierry, Lettre [wie Anm. 46], Introduction, S. 26) übernommen.
92 Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum (wie Anm. 14), Bd. 5, S. 538 –590.
93 Knappe Analyse bei Ulrich Köpf, Einleitung, in: Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/
deutsch, hg. von Gerhard Winkler, 10 Bde., Innsbruck 1990 –1999, Bd. 5, S. 27– 47, hier S. 39 f.
94 Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum (wie Anm. 14), Bd. 5, sermo 34, S. 538 –
544.
95 Guillaume de Saint-Thierry, Lettre (wie Anm. 46), cap. 296, S. 382: Hoc ergo ineffabile, cum nonnisi
ineffabiliter videatur, qui vult videre cor mundet; quia nulla corporis similitudine dormienti, nulla
corporea specie vigilanti, nulla rationis indagine, nisi mundo corde humiliter amantis videri potest vel
apprehendi.
 
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