Inklusion – Exklusion: weiblich – männlich | 131
in Medien, die zwischen Diesseits und Jenseits hin und her wanderten. Der Preis für
das Leben in der Liminalität war hoch: Ihre Reinheit, Jungfräulichkeit, Sexualität
und Mobilität standen unter permanenter Außenkontrolle durch den Abt, durch
die Mitbrüder und durch eigens eingesetzte Kontrolleure.
2) Was leistete die Inklusion für das Mönchtum und das Kloster? Sie legitimierte
beide Institutionen. Die im Kloster Eingeschlossenen wurden Christus gleich und
akkumulierten einen Gnadenschatz, einen Thesaurus gratiarum. ¹⁸ Durch ihre Lebensführung,
durch die Werke der Caritas, durch das Gebet häuften sie Verdienste
(merita) an, die letztlich den Laien zugute kamen. So verschafften sie sich Ansehen
und Autorität in der Gesellschaft. Die Laien vertrauten den Eingeschlossenen Teile
ihres ererbten Vermögens an. Die monastischen Gemeinschaften häuften diese
Schenkungen und Stiftungen über Jahrhunderte an und stiegen so zu den reichsten
Institutionen der mittelalterlichen Gesellschaft auf.
3) Was leistete die Inklusion für die Gesellschaft? Die Inkludierten sicherten die
christliche Identität der Gesellschaft. Die Laien profitierten von der Gebetsleistung
der Asketen für ihr Seelenheil im Jenseits und ihren Weg zur Erlösung.
Norm und Realität der Klausur in männlichen und weiblichen
Gemeinschaften des 6. und 12. Jahrhunderts
Die theoretischen Leitlinien zur Inklusion und Exklusion mögen nun als Basis für
die Befragung der historischen Situation dienen, und zwar einerseits für die Normen,
andererseits für die Praxis.
Semantik, männlich – weiblich, Norm – Realität
In den frühmittelalterlichen Regeln und bei Isidor von Sevilla gibt es zwar den Begriff
clausura, aber nicht den der inclusio. Der Begriff inclusio findet sich erstmals
um 1100 im Lippoldsberger Nonneneid. Dort wird er synonym für incarceratio
gebraucht. In der Frühzeit des Mönchtums lässt sich die Inklusion nur indirekt an
pragmatischen Vorschriften ablesen, die sich auf reale Räume, rituelle Handlungen
(claudere), auf die aktive (stabilitas, stabilis, vagari, exire) wie die passive Klausur
(convivium, familiaritas, hospites, aperire, intrare) beziehen. Die Regeln, Statuten
und Consuetudines legen die Konditionen des Eintritts in das Kloster dar. Sie
beschreiben die architekturalen Elemente der Klausurierung (claustrum, interior
pars monasterii), der Durchlässigkeit zwischen innen und außen (porta), des inne-
18 Hahn/Bohn, Partizipative Identität (wie Anm. 3), S. 23.
in Medien, die zwischen Diesseits und Jenseits hin und her wanderten. Der Preis für
das Leben in der Liminalität war hoch: Ihre Reinheit, Jungfräulichkeit, Sexualität
und Mobilität standen unter permanenter Außenkontrolle durch den Abt, durch
die Mitbrüder und durch eigens eingesetzte Kontrolleure.
2) Was leistete die Inklusion für das Mönchtum und das Kloster? Sie legitimierte
beide Institutionen. Die im Kloster Eingeschlossenen wurden Christus gleich und
akkumulierten einen Gnadenschatz, einen Thesaurus gratiarum. ¹⁸ Durch ihre Lebensführung,
durch die Werke der Caritas, durch das Gebet häuften sie Verdienste
(merita) an, die letztlich den Laien zugute kamen. So verschafften sie sich Ansehen
und Autorität in der Gesellschaft. Die Laien vertrauten den Eingeschlossenen Teile
ihres ererbten Vermögens an. Die monastischen Gemeinschaften häuften diese
Schenkungen und Stiftungen über Jahrhunderte an und stiegen so zu den reichsten
Institutionen der mittelalterlichen Gesellschaft auf.
3) Was leistete die Inklusion für die Gesellschaft? Die Inkludierten sicherten die
christliche Identität der Gesellschaft. Die Laien profitierten von der Gebetsleistung
der Asketen für ihr Seelenheil im Jenseits und ihren Weg zur Erlösung.
Norm und Realität der Klausur in männlichen und weiblichen
Gemeinschaften des 6. und 12. Jahrhunderts
Die theoretischen Leitlinien zur Inklusion und Exklusion mögen nun als Basis für
die Befragung der historischen Situation dienen, und zwar einerseits für die Normen,
andererseits für die Praxis.
Semantik, männlich – weiblich, Norm – Realität
In den frühmittelalterlichen Regeln und bei Isidor von Sevilla gibt es zwar den Begriff
clausura, aber nicht den der inclusio. Der Begriff inclusio findet sich erstmals
um 1100 im Lippoldsberger Nonneneid. Dort wird er synonym für incarceratio
gebraucht. In der Frühzeit des Mönchtums lässt sich die Inklusion nur indirekt an
pragmatischen Vorschriften ablesen, die sich auf reale Räume, rituelle Handlungen
(claudere), auf die aktive (stabilitas, stabilis, vagari, exire) wie die passive Klausur
(convivium, familiaritas, hospites, aperire, intrare) beziehen. Die Regeln, Statuten
und Consuetudines legen die Konditionen des Eintritts in das Kloster dar. Sie
beschreiben die architekturalen Elemente der Klausurierung (claustrum, interior
pars monasterii), der Durchlässigkeit zwischen innen und außen (porta), des inne-
18 Hahn/Bohn, Partizipative Identität (wie Anm. 3), S. 23.