Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI Artikel:
Röckelein, Hedwig: Inklusion – Exklusion: weiblich - männlich
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0133
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
132 | Hedwig Röckelein
ren Gemeinschaftslebens und der Separation innerhalb des Klosters (cella, cellula,
mansiuncula). Sie benennen die Kontrollinstrumente des Verhaltens innerhalb und
außerhalb des Klosters (custodia, circatores). Sie beschreiben grob oder penibel, unter
welchen Bedingungen der Abt/die Äbtissin, der Mönch/die Nonne das Kloster
verlassen dürfen, ob und wie befreundete oder übergeordnete Geistliche, säkulare
Verwandte und Freunde im Kloster empfangen werden dürfen. Wenn wir dies im
Folgenden untersuchen, so muss stets geprüft werden, ob sich die Vorschriften für
männliche Asketen hinsichtlich der Klausur von denen für weibliche Asketen unterscheiden,
und ob die Normen in der Praxis tatsächlich umgesetzt wurden. So hat
Schulenburg bereits 1984 festgestellt, dass zwischen den kanonischen Vorschriften
und der Praxis in den Frauenkonventen des Frühmittelalters eine beachtliche Differenz
bestand. ¹⁹
Fallbeispiele: Benedikt und Caesarius, Hirsau und Lippoldsberg
Das empirische Material diskutiere ich in zwei synchronen Schnitten und vergleiche
jeweils eine repräsentative Norm für Männer mit einer für Frauen, die Normen
beider zudem mit der Praxis. Das erste Vergleichspaar sind zwei Regelwerke aus der
ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts, zwei Prototypen ²⁰ des Coenobiums für Männer
und Frauen: die Regel des Benedikt von Nursia (um 480 –550/560) und die Regula
ad virgines des Caesarius von Arles (um 470 –542, Bischof seit 502). Beide besitzen
repräsentativen Charakter, da sie lange im Gebrauch waren – die Regula Benedicti
seit dem späten 8. Jahrhundert bis in die Gegenwart, die Regula ad virgines vom
6. ²¹ bis zum 13. ²² Jahrhundert –, da sie mehr als einer monastischen Gemeinschaft
als Norm galten und da sie in späteren Regelwerken rezipiert wurden.
Den zweiten Schnitt setze ich an das Ende des 11. Jahrhunderts, in das Zeitalter
der Kirchenreform. Die Constitutiones Hirsaugienses mögen hier die Männerseite
repräsentieren, der sog. »Lippoldsberger Nonneneid« die Frauenseite. Abt Wilhelm
stellte die Hirsauer Konstitutionen zwischen 1084 und 1091 unter Rückgriff auf die
Gebräuche von Cluny und auf die Benediktsregel zusammen. Lippoldsberg übernahm
die Gewohnheiten des Reformklosters St. Agnes in Schaffhausen, das seinerseits
der Hirsauer Konstitution verpflichtet war.
19 Jane Tibbetts Schulenburg, Strict Active Enclosure and Its Effects on the Female Monastic Experience
(ca. 500 –1100), in: Medieval Religious Women, Bd. 1: Distant Echoes, hg. von John Alden Nichols/
Lillian Thomas Shank (Cistercian Studies Series 71), Kalamazoo 1984, S. 51– 86.
20 Für die Caesarius-Regel hat dies formuliert Cyrille Lambot, Le prototype des monastères cloîtres de
femmes. L’abbaye Saint-Jean d’Arles (VI èᵐᵉ siècle), in: Revue liturgique et monastique 23, 1938, S. 169–174.
21 Die erste Fassung promulgierte Caesarius im Jahr 512; die Schlussredaktion datiert in das Jahr 534.
22 Die Frauenregel des Caesarius wurde bis ins 13. Jahrhundert kopiert und Teile davon in andere Regeln
übertragen. Vgl. dazu Césaire d’Arles, Œuvres monastiques, Bd. 1: Œuvres pour les moniales, hg. von
Adalbert de Vogüé/Joël Courreau (Sources chrétiennes 345), Paris 1988, cap. 3, S. 129 –145.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften