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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Röckelein, Hedwig: Inklusion – Exklusion: weiblich - männlich
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0134
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Inklusion – Exklusion: weiblich – männlich | 133
Die Regula Benedicti ²³ setzt in allem auf das mittlere Maß statt auf radikale
Askese. Sie verlangt von den Mönchen zwar den Rückzug aus der Welt (cap. 4, 20:
Saeculi actibus se facere alienum) und einen festen Wohnsitz (cap. 4, 78: Officina
vero […] claustra sunt monasterii et stabilitas in congregatione), aber sie lässt Gäste
in bestimmten Bereichen des Klosters zu. Auf die Gastfreundschaft, das convivium,
legt sie großen Wert. Sie macht detaillierte Vorschriften, wie die Gäste freundschaftlich
zu empfangen und zu bewirten seien (cap. 53; 58, 4). Allerdings duldet sie diese
nur im äußeren Bereich des Klosters, den Zutritt zum Inneren verwehrt sie ihnen
(cap. 53). Geschenke und Briefe dürfen die Mönche nur mit Zustimmung des Abtes
annehmen, auch wenn jene von Verwandten gesandt sind (cap. 54).
Zwar sollten die Mönche das Kloster möglichst nicht verlassen (cap. 66, 7: ut non
sit necessitas monachis vagandi foris, quia omnino non expedit animabus eorum), ²⁴
dennoch zieht die Regula Benedicti in Betracht, dass Mönche tagsüber auf den
Feldern außerhalb des Klosters arbeiten. Sie weist diese an, wie sie beten (cap. 50)
und essen (cap. 51) sollen, wenn der Weg zu weit ist, um dafür ins Kloster zurückzukehren.
Wenn die Mönche im Auftrag des Abtes auf Reisen gehen, sollen
sie entsprechend gekleidet (cap. 55, 13 –14) und rituell entlassen werden (cap. 67);
nach ihrer Rückkehr gebührt ihnen ein formeller Empfang. Unterwegs sollen sie
die Gebetszeiten einhalten (cap. 50, 4). Was sie außerhalb des Klosters gesehen und
gehört haben, darüber sollen sie nach ihrer Rückkehr schweigen (cap. 67). Fremde
Mönche solle man erst nach kritischer Prüfung aufnehmen (cap. 61), könnten sie
doch Gyrovagen, Unruhestifter oder Häretiker sein (Regula Benedicti cap. 1, 1–10,
cap. 61). Die Gyrovagen seien semper vagi et numquam stabiles (cap. 1, 1–10). Sie
ließen sich 3 – 4 Tage von einem Kloster beherbergen und zögen dann zum nächsten
weiter. Seit den Reformsynoden des Bonifatius im 8. Jahrhundert polemisierten Bischöfe
und Äbte regelmäßig und heftig gegen vagierende Mönche (und Kleriker). ²⁵
23 Benedicti Regula. Editio altera emendata, hg. von Rudolf Hanslik (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum
Latinorum 75),Wien 1977.
24 Gisela Muschiol, Von Benedikt bis Bernhard – Klausur zwischen Regula und Realität, in: Neunter Internationaler
Regula-Benedicti-Kongreß, Rom, 9.–14. September 1996 (Regulae Benedicti Studia 19), St.
Ottilien 1997, S. 27– 42, hier S. 27 hält cap. 66 hinsichtlich der Klausur für das Schlüsselkapitel der Regula
Benedicti.
25 Charles Anselm Bolton, The Gyrovags or Wandering Monks, in: The American Benedictine Review
18, 1967, S. 389 –392. Auch in späteren Jahrhunderten beschäftigte das Problem die benediktinische Welt.
Die Annales Augustani ad a. 1075 behaupten, die Gyrovagen würden Zwietracht (discordia) unter den
Mönchen säen (Willehelmi abbatis constitutiones Hirsaugienses, hg. von Pius Engelbert/Candida Elvert,
2 Bde. (Corpus consuetudinum monasticarum 15/1–2), Siegburg 2010, hier Bd. 1, S. XVI). Zum
Gyrovagenproblem in den hochmittelalterlichen Reformorden der Benediktiner vgl. Thomas Füser,
Mönche im Konflikt. Zum Spannungsfeld von Norm, Devianz und Sanktionen bei den Cisterziensern
und Cluniazensern (12. bis frühes 14. Jahrhundert) (Vita regularis 9), Münster 2000.
 
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