140 | Hedwig Röckelein
Die Schlüsselwächter (Claves vero huius inclusionis ab illis personis custodiantur)
werden gemeinschaftlich vom geistlichen Vater und der Congregatio gewählt. Ganz
ähnliche Bestimmungen wie in Lippoldsberg finden sich auch in den Vorschriften
der Nonnen von Admont, die zusammen mit ihrem assoziierten Männerkonvent
ebenfalls dem Hirsauer Reformkreis angehörten. ⁵⁹
Die Lippoldsberger Nonnen und ihre Priorin unterstanden der Aufsicht eines
geistlichen Vaters (spiritualis pater), der von fünf benachbarten Äbten bestimmt
werden sollte. Schon bald nach der Gründung trat die Propsteiverfassung in Kraft,
sodass an Stelle einer Äbtissin nur noch eine rangmindere domina und eine Priorin
den Konvent leiteten. Als Grund für die strenge Klausur entfällt mithin hier die
Autonomie der Nonnen und der Äbtissin.
Die Lippoldsberger Urkunde liefert eine andere Begründung für die Inkarzerierung
und Inkludierung der Nonnen: die Sündhaftigkeit der Frauen (nos mulieres
pro peccatis nostris incarceratę). Hier wird also weder die Schutzbedürftigkeit noch
die Sicherung der Keuschheit als Grund für die Einschließung namhaft gemacht,
sondern die Bereitschaft zur Buße. Die imbecillitas sexus, die weibliche Schwäche,
wird zwar angeführt, aber nicht als Begründung für die Klausur, sondern, um die
rigorosen Fastenvorschriften zu erleichtern (Verum quia pro sexus nostri imbecillitate
videmur ad rigorem ieiunii regulę nostrę minus sufficere […]). In Lippoldsberg
ist mithin erstmals nördlich der Alpen ein Reflex auf die oberitalienische Bußbewegung
zu erkennen; verbunden ist das Votum überdies mit einer Verehrung der Büßerin
Maria Magdalena, deren Fest mit einer Fastenvorbereitung besonders feierlich
begangen werden sollte. ⁶⁰
Da sich die Nonnen aufgrund der Klausurierung nicht in der Lage sahen, die
Vorschriften der Regula Benedicti zur Handarbeit zu erfüllen, versprachen sie, in
diesem Punkt den Bestimmungen des Hl. Hieronymus zu folgen. ⁶¹ An dieser Stelle
59 Vgl. dazu Christina Lutter, Klausur zwischen realen Begrenzungen und spirituellen Entwürfen. Handlungsspielräume
und Identifikationsmodelle der Admonter Nonnen im 12. Jahrhundert, in: Virtuelle
Räume. Raumwahrnehmung und Raumvorstellung im Mittelalter. Akten des 10. Symposiums des Mediävistenverbandes,
Krems, 24.–26. März 2003, hg. von Elisabeth Vavra, Berlin 2005, S. 305 –324, und
Ingrid Roitner, Sorores inclusae. Bistumspolitik und Klosterreform im Geist von Cluny/Hirsau in der
Diözese Salzburg, in: Revue Mabillon N.S. 18 = 79, 2007, S. 73 –131.
60 Mainzer Urkundenbuch (wie Anm. 55), Nr. 405, S. 310 –312: […] laudamus ieiunare in vigiliis […]
Marię Magdalenę. Die Eremitin Paulina, die das Kloster Paulinzella in Thüringen gründete, weihte die
dortige Kapelle zwischen 1102 und 1105 ebenfalls Maria Magdalena. Paulina kam über ihren Onkel,
Bischof Werner von Merseburg, mit der Hirsauer Reform in Kontakt. Vgl. dazu Küsters, Formen und
Modelle (wie Anm. 56), S. 201.
61 Mainzer Urkundenbuch (wie Anm. 55), Nr. 405, S. 310 –312: Sed quia opus manuum, quod sanctus
Benedictus in regula viris precepit, nos mulieres pro peccatis nostris incarceratę implere non possumus,
illud quod de opere manuum sanctus Jeronimus santimonialibus precepit […] in quantum possumus,
adimplere promittimus.
Die Schlüsselwächter (Claves vero huius inclusionis ab illis personis custodiantur)
werden gemeinschaftlich vom geistlichen Vater und der Congregatio gewählt. Ganz
ähnliche Bestimmungen wie in Lippoldsberg finden sich auch in den Vorschriften
der Nonnen von Admont, die zusammen mit ihrem assoziierten Männerkonvent
ebenfalls dem Hirsauer Reformkreis angehörten. ⁵⁹
Die Lippoldsberger Nonnen und ihre Priorin unterstanden der Aufsicht eines
geistlichen Vaters (spiritualis pater), der von fünf benachbarten Äbten bestimmt
werden sollte. Schon bald nach der Gründung trat die Propsteiverfassung in Kraft,
sodass an Stelle einer Äbtissin nur noch eine rangmindere domina und eine Priorin
den Konvent leiteten. Als Grund für die strenge Klausur entfällt mithin hier die
Autonomie der Nonnen und der Äbtissin.
Die Lippoldsberger Urkunde liefert eine andere Begründung für die Inkarzerierung
und Inkludierung der Nonnen: die Sündhaftigkeit der Frauen (nos mulieres
pro peccatis nostris incarceratę). Hier wird also weder die Schutzbedürftigkeit noch
die Sicherung der Keuschheit als Grund für die Einschließung namhaft gemacht,
sondern die Bereitschaft zur Buße. Die imbecillitas sexus, die weibliche Schwäche,
wird zwar angeführt, aber nicht als Begründung für die Klausur, sondern, um die
rigorosen Fastenvorschriften zu erleichtern (Verum quia pro sexus nostri imbecillitate
videmur ad rigorem ieiunii regulę nostrę minus sufficere […]). In Lippoldsberg
ist mithin erstmals nördlich der Alpen ein Reflex auf die oberitalienische Bußbewegung
zu erkennen; verbunden ist das Votum überdies mit einer Verehrung der Büßerin
Maria Magdalena, deren Fest mit einer Fastenvorbereitung besonders feierlich
begangen werden sollte. ⁶⁰
Da sich die Nonnen aufgrund der Klausurierung nicht in der Lage sahen, die
Vorschriften der Regula Benedicti zur Handarbeit zu erfüllen, versprachen sie, in
diesem Punkt den Bestimmungen des Hl. Hieronymus zu folgen. ⁶¹ An dieser Stelle
59 Vgl. dazu Christina Lutter, Klausur zwischen realen Begrenzungen und spirituellen Entwürfen. Handlungsspielräume
und Identifikationsmodelle der Admonter Nonnen im 12. Jahrhundert, in: Virtuelle
Räume. Raumwahrnehmung und Raumvorstellung im Mittelalter. Akten des 10. Symposiums des Mediävistenverbandes,
Krems, 24.–26. März 2003, hg. von Elisabeth Vavra, Berlin 2005, S. 305 –324, und
Ingrid Roitner, Sorores inclusae. Bistumspolitik und Klosterreform im Geist von Cluny/Hirsau in der
Diözese Salzburg, in: Revue Mabillon N.S. 18 = 79, 2007, S. 73 –131.
60 Mainzer Urkundenbuch (wie Anm. 55), Nr. 405, S. 310 –312: […] laudamus ieiunare in vigiliis […]
Marię Magdalenę. Die Eremitin Paulina, die das Kloster Paulinzella in Thüringen gründete, weihte die
dortige Kapelle zwischen 1102 und 1105 ebenfalls Maria Magdalena. Paulina kam über ihren Onkel,
Bischof Werner von Merseburg, mit der Hirsauer Reform in Kontakt. Vgl. dazu Küsters, Formen und
Modelle (wie Anm. 56), S. 201.
61 Mainzer Urkundenbuch (wie Anm. 55), Nr. 405, S. 310 –312: Sed quia opus manuum, quod sanctus
Benedictus in regula viris precepit, nos mulieres pro peccatis nostris incarceratę implere non possumus,
illud quod de opere manuum sanctus Jeronimus santimonialibus precepit […] in quantum possumus,
adimplere promittimus.