142 | Hedwig Röckelein
stürzend neue Erkenntnis; Christina Lutter ⁶⁵ und Gisela Muschiol ⁶⁶ kamen anhand
anderer Textcorpora bereits zu demselben Ergebnis. Diese Übereinstimmung legitimiert
uns indes dazu, diese Aussage zu verallgemeinern. Das heißt für künftige
Forschung, die monastische Klausur mitsamt ihren sekundären Auswirkungen
nicht geschlechtsneutral zu behandeln.
Männer- und Frauenregeln unterscheiden sich hinsichtlich der Klausurbestimmungen
nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Die aktive wie die passive
Klausur wird bei den Nonnen stets restriktiver gehandhabt als bei den Mönchen.
Die Nonnen dürfen den Konvent auf keinen Fall verlassen. Nur der Äbtissin wird
eine Ausnahme gestattet, sofern ein besonderer Grund vorliegt. Sie muss dafür aber
die Erlaubnis des Abtes einholen und darf nur in Begleitung reisen. Gastfreundschaft
ist für die geistlichen Frauen obsolet, selbst die Einladung von Verwandten.
Nur für geistliche Frauen aus anderen Konventen macht Caesarius eine Ausnahme.
Männer- und Frauenregel stimmen nur dort überein, wo es um die Kontrolle der
Geschenke und Briefe durch den Abt/die Äbtissin und den Pförtner/die Pförtnerin
geht.
Mönche und Nonnen erlebten Klausur auf verschiedene Weise. Während die
Mönche mit der Einschließung den Karzer als Ort der Strafe und Buße verbanden,
bezeichneten sich die Lippoldsberger Nonnen gesamtheitlich als Inkarzerierte. Sie
stilisierten sich kollektiv zu einer Gemeinschaft von Inklusen, die nur über Fenster ⁶⁷
nach draußen kommunizierten, ganz nach der Gewohnheit solitär lebender Inklusen,
obwohl sie koinobitisch lebten.
Welches sind die Motive und Begründungen für die stärkere Klausurierung der
Frauen? Diese Frage ist schon oft gestellt und meist mit der Schutzbedürftigkeit
der Frauen beantwortet worden. Die Antwort mag für die unruhigen Zeiten des
6. Jahrhunderts durchaus überzeugen. Als weiteres Argument hat Hochstetler vorgebracht,
die strikte Klausur sei der Preis für die weitgehende soziale, finanzielle
und politische Unabhängigkeit der Nonnen von ihren Verwandten und vom Bischof
gewesen. Doch die Autoren der Regeln nennen andere Gründe. Caesarius
glaubte den Jungfrauen durch die Klausur das ungestörte Gebet und die Keuschheit
zu sichern, mithin die Conditio der Effizienz ihres Gebetes, wie Hieronymus
65 Lutter, Klausur (wie Anm. 59), S. 306: »Während Frauenkonventen meist strenge Klausur vorgeschrieben
war, thematisieren die Quellen diese Frage für Männerklöster grundsätzlich wenig, und zwar auch
dort, wo es ansonsten durchaus strenge Regeln hinsichtlich der monastischen Askese gab.«
66 Muschiol, Von Benedikt (wie Anm. 24), S. 31: »Für Frauen erscheint Klausur als das konstituierende
Element klösterlichen Lebens schlechthin, während es für Männer wohl erwähnt wird, aber eher als eine
Bedingung unter vielen.«
67 Das Fenster wird nachgerade zum Symbol der Inklusen/Reklusen, vgl. den Titel von Paulette l’Hermite-
Leclercq, La femme à la fenestrelle du reclusoir, in: La femme au moyen âge, hg. von Michel Rouche,
Maubeuge 1990, S. 49 – 68.
stürzend neue Erkenntnis; Christina Lutter ⁶⁵ und Gisela Muschiol ⁶⁶ kamen anhand
anderer Textcorpora bereits zu demselben Ergebnis. Diese Übereinstimmung legitimiert
uns indes dazu, diese Aussage zu verallgemeinern. Das heißt für künftige
Forschung, die monastische Klausur mitsamt ihren sekundären Auswirkungen
nicht geschlechtsneutral zu behandeln.
Männer- und Frauenregeln unterscheiden sich hinsichtlich der Klausurbestimmungen
nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Die aktive wie die passive
Klausur wird bei den Nonnen stets restriktiver gehandhabt als bei den Mönchen.
Die Nonnen dürfen den Konvent auf keinen Fall verlassen. Nur der Äbtissin wird
eine Ausnahme gestattet, sofern ein besonderer Grund vorliegt. Sie muss dafür aber
die Erlaubnis des Abtes einholen und darf nur in Begleitung reisen. Gastfreundschaft
ist für die geistlichen Frauen obsolet, selbst die Einladung von Verwandten.
Nur für geistliche Frauen aus anderen Konventen macht Caesarius eine Ausnahme.
Männer- und Frauenregel stimmen nur dort überein, wo es um die Kontrolle der
Geschenke und Briefe durch den Abt/die Äbtissin und den Pförtner/die Pförtnerin
geht.
Mönche und Nonnen erlebten Klausur auf verschiedene Weise. Während die
Mönche mit der Einschließung den Karzer als Ort der Strafe und Buße verbanden,
bezeichneten sich die Lippoldsberger Nonnen gesamtheitlich als Inkarzerierte. Sie
stilisierten sich kollektiv zu einer Gemeinschaft von Inklusen, die nur über Fenster ⁶⁷
nach draußen kommunizierten, ganz nach der Gewohnheit solitär lebender Inklusen,
obwohl sie koinobitisch lebten.
Welches sind die Motive und Begründungen für die stärkere Klausurierung der
Frauen? Diese Frage ist schon oft gestellt und meist mit der Schutzbedürftigkeit
der Frauen beantwortet worden. Die Antwort mag für die unruhigen Zeiten des
6. Jahrhunderts durchaus überzeugen. Als weiteres Argument hat Hochstetler vorgebracht,
die strikte Klausur sei der Preis für die weitgehende soziale, finanzielle
und politische Unabhängigkeit der Nonnen von ihren Verwandten und vom Bischof
gewesen. Doch die Autoren der Regeln nennen andere Gründe. Caesarius
glaubte den Jungfrauen durch die Klausur das ungestörte Gebet und die Keuschheit
zu sichern, mithin die Conditio der Effizienz ihres Gebetes, wie Hieronymus
65 Lutter, Klausur (wie Anm. 59), S. 306: »Während Frauenkonventen meist strenge Klausur vorgeschrieben
war, thematisieren die Quellen diese Frage für Männerklöster grundsätzlich wenig, und zwar auch
dort, wo es ansonsten durchaus strenge Regeln hinsichtlich der monastischen Askese gab.«
66 Muschiol, Von Benedikt (wie Anm. 24), S. 31: »Für Frauen erscheint Klausur als das konstituierende
Element klösterlichen Lebens schlechthin, während es für Männer wohl erwähnt wird, aber eher als eine
Bedingung unter vielen.«
67 Das Fenster wird nachgerade zum Symbol der Inklusen/Reklusen, vgl. den Titel von Paulette l’Hermite-
Leclercq, La femme à la fenestrelle du reclusoir, in: La femme au moyen âge, hg. von Michel Rouche,
Maubeuge 1990, S. 49 – 68.