Geistliche Gemeinschaften in der Welt | 147
tik von Grenzziehungen zwischen Kloster und Welt einerseits, und andererseits
die Austauschprozesse und Wechselbeziehungen zwischen dem innermonastischen
Raum und der Welt außerhalb seiner materiellen und imaginären Grenzen sind daher
auch ein konstanter Gegenstand der Auseinandersetzung in der Geschichte des
christlichen Religiosentums. In Reformbewegungen werden diese ideellen Grenzen,
die sich in der Praxis oft eher als Kontaktzonen darstellen, in Rückbindung an
weiter reichende religiöse und gesellschaftliche Wandlungsprozesse neu verhandelt
und konzipiert. ⁷ In den regional und zeitlich jeweils unterschiedlich ausgeprägten
geistlichen Reformen im Europa des 11. bis 13. Jahrhunderts, denen sich dieser
Band widmet, lassen sich dieser prozessuale Charakter von Reformen und deren
nachhaltig die Gesellschaft verändernden Aspekte nicht zuletzt aufgrund der kontinuierlich
wachsenden Überlieferung besonders gut fassen. ⁸
Dieses Spannungsverhältnis sprechen die Beiträge von Steven Vanderputten und
Hedwig Röckelein anhand von unterschiedlichen Gegenständen und Schwerpunktsetzungen
an. Vanderputten nähert sich der Frage gleichsam induktiv und nimmt
exemplarisch die Komplexität religiöser Lebensformen und Reformmodelle am
Beispiel des Reformabtes Richard von St. Vanne († 1046) zum Ausgangspunkt, um
nach den konkreten Effekten von Reformdiskursen auf spezifische Bereiche monastischen
Lebens zu fragen. Röckelein geht deduktiv vom Modell der »Inklusion« als
konstitutiv für geistliche Männer- und Frauengemeinschaften aus und problematisiert
das Verhältnis von Theorie und Praxis der monastischen Inklusion am Beispiel
von früh- und hochmittelalterlichen Regeltexten anhand der terminologischen Difthodische
und inhaltliche Probleme, hg. von František Graus (Vorträge und Forschungen 35), Sigmaringen
1987, S. 65 –117; Klaus Schreiner, Mönchsein in der Adelsgesellschaft des hohen und späten Mittelalters.
Klösterliche Gemeinschaftsformen zwischen spiritueller Selbstbehauptung und sozialer Anpassung, in:
Historische Zeitschrift 248, 1989, S. 557– 620.
7 Zur Verwendung des Begriffs Kontaktzone in diesem Zusammenhang vgl. Christoph Dartmann, Kommentar,
in: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters. Aspekte und Pragmatik eines Begriffs,
hg. von Mirko Breitenstein/Stefan Burkhardt/Julia Dücker (Vita regularis. Abhandlungen
48), Berlin 2012, S. 65 –71, hier S. 67; mit Verweis auf Mayke de Jong zu karolingischen Reformvorstellungen:
Mayke de Jong, Carolingian Monasticism. The Power of Prayer, in: The New Cambridge Medieval
History, Bd. 2. c. 700 –900, hg. von Rosamond McKitterick, Cambridge 1995, S. 622– 653. Grundlegend
ist Peter Brown, The Rise of Western Christendom. Triumph and Diversity A.D. 200 –1000, Oxford
1996.
8 Giles Constable, The Reformation of the Twelfth Century, Cambridge 1996; Ders., Religious Communities,
1024 –1215, in: The New Cambridge Medieval History, Bd. 4.1. c. 1024 – c. 1198, hg. von David
Luscombe/Jonathan Riley-Smith, Cambridge 2004, S. 335 –367. Für die hier verfolgten Fragestellungen
mit weiter führenden Literaturverweisen Stefan Weinfurter, Innovation in Klöstern und Orden des
hohen Mittelalters. Zusammenfassung, in: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters.
Aspekte und Pragmatik eines Begriffs, hg. von Mirko Breitenstein/Stefan Burkhardt/Julia Dücker
(Vita regularis. Abhandlungen 48), Berlin 2012, S. 297–306; zum kontextspezifischen sowie prozessualen
Charakter von Reformen vgl. den Beitrag von Steven Vanderputten in diesem Band, S. 105 –126, besonders
S. 107f. sowie die umfassende Fallstudie von Dems., Monastic Reform as Process: Realities and
Representations in Medieval Flanders, 900 –1100, Ithaca/London 2013.
tik von Grenzziehungen zwischen Kloster und Welt einerseits, und andererseits
die Austauschprozesse und Wechselbeziehungen zwischen dem innermonastischen
Raum und der Welt außerhalb seiner materiellen und imaginären Grenzen sind daher
auch ein konstanter Gegenstand der Auseinandersetzung in der Geschichte des
christlichen Religiosentums. In Reformbewegungen werden diese ideellen Grenzen,
die sich in der Praxis oft eher als Kontaktzonen darstellen, in Rückbindung an
weiter reichende religiöse und gesellschaftliche Wandlungsprozesse neu verhandelt
und konzipiert. ⁷ In den regional und zeitlich jeweils unterschiedlich ausgeprägten
geistlichen Reformen im Europa des 11. bis 13. Jahrhunderts, denen sich dieser
Band widmet, lassen sich dieser prozessuale Charakter von Reformen und deren
nachhaltig die Gesellschaft verändernden Aspekte nicht zuletzt aufgrund der kontinuierlich
wachsenden Überlieferung besonders gut fassen. ⁸
Dieses Spannungsverhältnis sprechen die Beiträge von Steven Vanderputten und
Hedwig Röckelein anhand von unterschiedlichen Gegenständen und Schwerpunktsetzungen
an. Vanderputten nähert sich der Frage gleichsam induktiv und nimmt
exemplarisch die Komplexität religiöser Lebensformen und Reformmodelle am
Beispiel des Reformabtes Richard von St. Vanne († 1046) zum Ausgangspunkt, um
nach den konkreten Effekten von Reformdiskursen auf spezifische Bereiche monastischen
Lebens zu fragen. Röckelein geht deduktiv vom Modell der »Inklusion« als
konstitutiv für geistliche Männer- und Frauengemeinschaften aus und problematisiert
das Verhältnis von Theorie und Praxis der monastischen Inklusion am Beispiel
von früh- und hochmittelalterlichen Regeltexten anhand der terminologischen Difthodische
und inhaltliche Probleme, hg. von František Graus (Vorträge und Forschungen 35), Sigmaringen
1987, S. 65 –117; Klaus Schreiner, Mönchsein in der Adelsgesellschaft des hohen und späten Mittelalters.
Klösterliche Gemeinschaftsformen zwischen spiritueller Selbstbehauptung und sozialer Anpassung, in:
Historische Zeitschrift 248, 1989, S. 557– 620.
7 Zur Verwendung des Begriffs Kontaktzone in diesem Zusammenhang vgl. Christoph Dartmann, Kommentar,
in: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters. Aspekte und Pragmatik eines Begriffs,
hg. von Mirko Breitenstein/Stefan Burkhardt/Julia Dücker (Vita regularis. Abhandlungen
48), Berlin 2012, S. 65 –71, hier S. 67; mit Verweis auf Mayke de Jong zu karolingischen Reformvorstellungen:
Mayke de Jong, Carolingian Monasticism. The Power of Prayer, in: The New Cambridge Medieval
History, Bd. 2. c. 700 –900, hg. von Rosamond McKitterick, Cambridge 1995, S. 622– 653. Grundlegend
ist Peter Brown, The Rise of Western Christendom. Triumph and Diversity A.D. 200 –1000, Oxford
1996.
8 Giles Constable, The Reformation of the Twelfth Century, Cambridge 1996; Ders., Religious Communities,
1024 –1215, in: The New Cambridge Medieval History, Bd. 4.1. c. 1024 – c. 1198, hg. von David
Luscombe/Jonathan Riley-Smith, Cambridge 2004, S. 335 –367. Für die hier verfolgten Fragestellungen
mit weiter führenden Literaturverweisen Stefan Weinfurter, Innovation in Klöstern und Orden des
hohen Mittelalters. Zusammenfassung, in: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters.
Aspekte und Pragmatik eines Begriffs, hg. von Mirko Breitenstein/Stefan Burkhardt/Julia Dücker
(Vita regularis. Abhandlungen 48), Berlin 2012, S. 297–306; zum kontextspezifischen sowie prozessualen
Charakter von Reformen vgl. den Beitrag von Steven Vanderputten in diesem Band, S. 105 –126, besonders
S. 107f. sowie die umfassende Fallstudie von Dems., Monastic Reform as Process: Realities and
Representations in Medieval Flanders, 900 –1100, Ithaca/London 2013.