Geistliche Gemeinschaften in der Welt | 153
Die imitatio Christi im Sinn einer stellvertretenden Buße solcher sorores incarcerate
verbindet sich hier mit dem monastischen ordo-Ideal der jungfräulichen
Bräute Christi zu einem Selbstverständnis, das die Besonderheit dieser Frauen als
»Inklusen« zum Ausdruck bringt, nicht zuletzt durch die programmatische Strenge
ihrer Gefangenschaft, die dieses Modell durchaus in die Nähe der männlichen
Virtuosen monastischer Reform-Askese rückt, die nicht ohne Grund auch die eremitische
Lebensform zumindest temporär in ihr spirituelles Repertoire integrierten.
War das Gebot der stabilitas für Frauen auch in ihrem eigenen Selbstverständnis
rigoroser (und selbst hier gibt es eine Reihe von Ausnahmen), bot das spirituelle
Modell der Braut Christi (das auch für Männer galt) und das Vorbild der Mutter
Gottes als Fürsprecherin und Himmelskönigin im Gegenzug für weibliche Religiosen
eine Reihe von zusätzlichen Möglichkeiten der Identifikation, die an weltliche
Lebensmodelle anknüpfen und im monastischen Raum neu definiert und gesteigert
werden konnten. ²⁵
Die Dialektik zwischen »innen« und »außen« ist aber nicht nur eine Frage der
Optimierung spiritueller Höchstleistungen mit universalem Erlösungsanspruch
und pastoraler Aufgaben zur Heilsvermittlung. Sie setzt sich schon allein aufgrund
des rechtlich-ökonomischen Gründungsaktes durch geistliche oder weltliche Große
fort und, damit verbunden, aufgrund der Einbindung geistlicher Menschen sowohl
in die neue familia des Klosters wie auch in ihre weltlichen Herkunfts- und Beziehungsverbände
– jene Trägergruppen, deren Mitglieder geistliche Institutionen
durch vielfältige Stiftungen unterstützten. ²⁶ Die räumliche Trennung unterbindet
diese Beziehungen eben nicht, sondern verlängert und modifiziert sie, auch wenn
Regelentwürfe und Reformdokumente auf besondere Strenge in diesem Punkt, und
hier wieder besonders für Frauen, Wert legen.
Die Praxis dürfte allerdings vielfach komplexer ausgesehen haben, wie selbst das
Beispiel virtuoser sorores incarceratae wie der Admonterinnen nahe legt. In ihrem
Hohenburg im Elsass, Hildegards von Bingen Ordo virtutum oder der Briefwechsel zwischen Petrus
Venerabilis und Héloise, vgl. Lutter, Mulieres fortes (wie Anm. 21), S. 55 –57.
25 Grundlegend sind Klaus Schreiner, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, München/Wien 1994 und
Gabriela Signori, Maria zwischen Kathedrale, Kloster und Welt. Hagiographische und historiographische
Annäherungen an eine hochmittelalterliche Wunderpredigt, Sigmaringen 1995.
26 Bereits Klaus Schreiner, Consanguinitas – Verwandtschaft als Strukturprinzip religiöser Gemeinschafts-
und Verfassungsbildung in Kirche und Mönchtum des Mittelalters, in: Beiträge zu Geschichte
und Struktur der mittelalterlichen Germania Sacra, hg. von Irene Crusius, Göttingen 1989, S. 176 –305;
aktuell z.B. Michael Borgolte, Stiftung und Memoria, hg. von Tillman Lohse (Stiftungsgeschichten
10), Berlin 2012; Michael Mitterauer, Geistliche Verwandtschaft im Kontext mittelalterlicher Verwandtschaftssysteme,
in: Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. von Karl-Heinz Spiess
(Vorträge und Forschungen/Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte 71), Sigmaringen
2009, S. 171–195; zur Bedeutung der Stifterbeziehung in dem hier relevanten Zusammenhang auch Hehl,
Innovatio/Renovatio (wie Anm. 17), S. 21.
Die imitatio Christi im Sinn einer stellvertretenden Buße solcher sorores incarcerate
verbindet sich hier mit dem monastischen ordo-Ideal der jungfräulichen
Bräute Christi zu einem Selbstverständnis, das die Besonderheit dieser Frauen als
»Inklusen« zum Ausdruck bringt, nicht zuletzt durch die programmatische Strenge
ihrer Gefangenschaft, die dieses Modell durchaus in die Nähe der männlichen
Virtuosen monastischer Reform-Askese rückt, die nicht ohne Grund auch die eremitische
Lebensform zumindest temporär in ihr spirituelles Repertoire integrierten.
War das Gebot der stabilitas für Frauen auch in ihrem eigenen Selbstverständnis
rigoroser (und selbst hier gibt es eine Reihe von Ausnahmen), bot das spirituelle
Modell der Braut Christi (das auch für Männer galt) und das Vorbild der Mutter
Gottes als Fürsprecherin und Himmelskönigin im Gegenzug für weibliche Religiosen
eine Reihe von zusätzlichen Möglichkeiten der Identifikation, die an weltliche
Lebensmodelle anknüpfen und im monastischen Raum neu definiert und gesteigert
werden konnten. ²⁵
Die Dialektik zwischen »innen« und »außen« ist aber nicht nur eine Frage der
Optimierung spiritueller Höchstleistungen mit universalem Erlösungsanspruch
und pastoraler Aufgaben zur Heilsvermittlung. Sie setzt sich schon allein aufgrund
des rechtlich-ökonomischen Gründungsaktes durch geistliche oder weltliche Große
fort und, damit verbunden, aufgrund der Einbindung geistlicher Menschen sowohl
in die neue familia des Klosters wie auch in ihre weltlichen Herkunfts- und Beziehungsverbände
– jene Trägergruppen, deren Mitglieder geistliche Institutionen
durch vielfältige Stiftungen unterstützten. ²⁶ Die räumliche Trennung unterbindet
diese Beziehungen eben nicht, sondern verlängert und modifiziert sie, auch wenn
Regelentwürfe und Reformdokumente auf besondere Strenge in diesem Punkt, und
hier wieder besonders für Frauen, Wert legen.
Die Praxis dürfte allerdings vielfach komplexer ausgesehen haben, wie selbst das
Beispiel virtuoser sorores incarceratae wie der Admonterinnen nahe legt. In ihrem
Hohenburg im Elsass, Hildegards von Bingen Ordo virtutum oder der Briefwechsel zwischen Petrus
Venerabilis und Héloise, vgl. Lutter, Mulieres fortes (wie Anm. 21), S. 55 –57.
25 Grundlegend sind Klaus Schreiner, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, München/Wien 1994 und
Gabriela Signori, Maria zwischen Kathedrale, Kloster und Welt. Hagiographische und historiographische
Annäherungen an eine hochmittelalterliche Wunderpredigt, Sigmaringen 1995.
26 Bereits Klaus Schreiner, Consanguinitas – Verwandtschaft als Strukturprinzip religiöser Gemeinschafts-
und Verfassungsbildung in Kirche und Mönchtum des Mittelalters, in: Beiträge zu Geschichte
und Struktur der mittelalterlichen Germania Sacra, hg. von Irene Crusius, Göttingen 1989, S. 176 –305;
aktuell z.B. Michael Borgolte, Stiftung und Memoria, hg. von Tillman Lohse (Stiftungsgeschichten
10), Berlin 2012; Michael Mitterauer, Geistliche Verwandtschaft im Kontext mittelalterlicher Verwandtschaftssysteme,
in: Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. von Karl-Heinz Spiess
(Vorträge und Forschungen/Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte 71), Sigmaringen
2009, S. 171–195; zur Bedeutung der Stifterbeziehung in dem hier relevanten Zusammenhang auch Hehl,
Innovatio/Renovatio (wie Anm. 17), S. 21.